Modemacher Lagerfeld

Karl und die Kunst

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Zum Vergleich: Karl Lagerfeld (1933-2019) bei einer Vernissage in Berlin 2015 vor einer Zeichnung seiner Birma-Katze

Mit Karl Lagerfeld ist eine Ikone der Modewelt gestorben. Der deutsche Designer verband als leidenschaftlicher Fotograf, Zeichner und Sammler schöpferisch Welten miteinander

Er war einer der einflussreichsten Modeschöpfer, daneben Fotograf, Designer, Zeichner, Kostümbildner und vieles mehr. Karl Lagerfeld hatte nicht nur einen großen kreativen Output, sondern auch ein ganz besonderes Gespür für ästhetische Strömungen und mutige, innovative Ideen, mit denen er den Blickwickel des Modebetriebs verdrehte.

Seine vielfältigen und ausgefallenen Arbeiten präsentierte er damit längst nicht nur auf den großen Laufstegen, sondern auch in den Kunststätten dieser Welt - oder beides gleichzeitig: Lagerfelds letzter Auftritt fand im Dezember statt, als er Chanels weltweite Modenschau in den Dendur-Tempel des Metropolitan Museum of Art brachte, das damit zum ersten Mal seit Jahrzehnten überhaupt wieder eine Modenschau ausrichtete.

2015 stellte er in der Bundeskunsthalle in Bonn aus – "Modemethode" war eine umfassende Retrospektive seiner Arbeiten in der Modewelt, die sich vom ersten Entwurf zum fertigen Catwalk-Auftritt mitverfolgen ließen. Zahlreiche Ausstellungen in Kunsthäusern gingen dieser Schau voraus: darunter im Kunsthaus Apolda, bei C/O Berlin, der Langen Foundation in Neuss, im Museum Folkwang in Essen und in der Kunsthalle Hamburg.

Als einen "Künstler" hat sich der Modedesigner, der ab 1964 drei Jahre in Paris Kunst studiert hatte, im Interview mit "Der Zeit" trotz aller schöpferischen Arbeit dennoch nicht bezeichnen wollen: "Zaha Hadid sagt, dass sie Architektin ist. Marc Newson sagt, er sei Designer. Leute, die eigentlich einen anderen Beruf haben, aber behaupten, dass sie Künstler seien, haben ein Problem. Helmut Newton hat nie gesagt, dass er ein Künstler sei. Das sagen nur die, bei denen ein Zweifel besteht." Anstatt sich "Autoprädikate" zu verleihen, wollte er sich lieber auf das Machen selbst konzentrieren.

Er war also kein Künstler. Aber dann doch: Spätestens seit er 1987 seine Liebe zur Fotografie entdeckte, verband er die beiden Welten der Mode und Kunst vor der Kamera. Zunächst lichtete er seine eigenen Entwürfe ab, später machte er Schwarzweiß-Porträts und monochrome Landschafts- und Architektur-Aufnahmen. Das Spektrum der Arbeiten ist dabei breit, Lagerfeld selbst konnte seine Fotografien keinem Stil zuordnen. 1996 erhielt er für seine fotografischen Arbeiten den Kulturpreis der "Deutschen Gesellschaft für Photographie", 2007 den Infinity Award des "International Center of Photography", New York. Im selben Jahr hatte er die Ausstellung "One Man Shown" bei C/O in Berlin, in der er das von ihm entdeckte und geförderte US-Model Brad Kroenig in 350 Schwarzweiß-Fotografien und Multimedia-Installationen porträtierte.

2007/2008 stellte er in den Hallen des von ihm so sehr geschätzten Architekten Tadao Andos der Neusser Langen Foundation aus. In seiner Hamburger Heimatstadt wurden seine Arbeiten 2013 denen des neoklassischen Malers Anselm Feuerbach aus dem 19. Jahrhundert gegenübergestellt. Doch spätestens auf der Pariser Fashion Week 2013 verschmolzen seine beiden Leidenschaften gänzlich: Für seine Frühjahrs-/Sommer-Kollektion für Chanel entwarf Lagerfeld 75 übergroße Kunstwerke, die den Laufsteg des Grand Palais säumten.

Zu seinen Lieblingskünstlern zählte Lagerfeld sowohl deutsche Expressionisten, russische Konstruktivisten als auch Alte Meister. Er liebte die Zeichnungen Picassos und schätzte Jeff Koons, James Turrell und Richard Serra. Doch auch wenn er als Sammler schon immer sehr aktiv war, wollte er nie seine Wohnzimmerwände mit seinen Errungenschaften schmücken: "Kunstwerke sollen im Kopf existieren, nicht als Trophäen an der Wand. Ich kenne genug Reiche, bei denen man im Wohnzimmer sofort erkennt, wie viel jedes Bild gekostet hat. Und viele Preise sind so übertrieben. Wenn Leute zu teure Kunst kaufen, ist das ein Beweis dafür, dass sie keinen wirklichen Geschmack haben", erklärte er der ZEIT.

Gute Kunst dürfe sich nicht zu ernst nehmen; sie gebe es nur im Verborgenen zu entdecken. Um sie zu sammeln bevorzuge er Bücher, mehr als 300.000 Bücher soll er in seinen sieben Wohnungen besessen haben.

Das Kunstmuseum Moritzburg in Halle möchte nun aus einer ursprünglich mit Lagerfeld geplanten Ausstellung für das kommende Jahr einen Nachruf machen. Thomas Bauer-Friedrich, Direktor des Kunstmuseums, erklärte der "Mitteldeutschen Zeitung" bestürzt: "Mit Karl Lagerfeld verliert die Welt einen der größten Mode-Schöpfer des 20. Jahrhunderts und einen ungemein kreativen Künstler."