Preview

Kosmologie heute

Der Kalifornier hält gern zweistündige Vorträge mit geschlossenen Augen. Nur wenn er in wenigen Sekunden ganze Tafeln mit modellhaften Zeichnungen füllt, macht er sie auf. „Alles, was wir sehen, sind Lichtmuster“, sagt Matt Mullican dann, wie vergangenen April an der Kölner Kunsthochschule für Medien. Und sicher jetzt wieder in München, wo ihm ab Freitag eine Retrospektive ausgerichtet wird. „Und da sowieso alles eine Illusion ist, gibt es auch keine Gegensätze: nicht zwischen Leben und Tod, groß und klein oder weich und hart.“

Matt Mullican, Jahrgang 1951, hat ein System gefunden, alles mit allem in Verbindung zu bringen, ohne je mit der sogenannten Wirklichkeit in Konkurrenz zu treten. Das Schlüsselwort heißt dabei Modell. Die Idee des Anschauungsobjekts, das sich ganz bescheiden lediglich als Vermittler präsentiert, führt in viele Richtungen. Von fragilen Miniaturen zu wuchtigen Skulpturen, von Zeichnungen zu Leuchtkästen, von Glasarbeiten zu Videos. Mullicans frühe strukturelle Filme, in denen er Farbflächen durch Lichtbewegungen auflöst, verraten den Einfluss seines Lehrers Richard Serra am California Institute of the Arts (CalArts) bei Los Angeles. Doch bald wurden auch die strengen Regeln der Konzeptkunst selbst infrage gestellt und eben durch die schwer zu entkräftende Einsicht ersetzt, dass alles mit allem zu tun hat.

Dennoch ist Mullicans Kunst nicht nihilistisch. Jeden Gegenstand, jeden Menschen, jedes Phänomen begreift er als Teil des Universums. Und zugleich als Universum für sich.

Das Misstrauen gegenüber künstlerischen Schulen, die sich früher oder später als Modeerscheinung erweisen, verbindet ihn mit seinem Generationsgenossen Mike Kelley, der ebenfalls am CalArts studierte. Aber natürlich ist Mullican längst selbst ein Dogmatiker geworden, wenn auch einer der grenzenlosen Freiheit. Als manischer Sammler erschafft er sein eigenes Weltmuseum, eine Kosmologie mit dem verwegenen Anspruch, das ganze Universum zu deuten. Das Haus der Kunst in München zeigt Matt Mullican anhand von Schlüsselwerken seit den 70er-Jahren.

Haus der Kunst, München, 10. Juni bis 11. September