Malerin mit spätem Ruhm

Künstlerin Luchita Hurtado stirbt mit 99 Jahren

In der Kunstwelt wurde sie mit über 90 Jahren zum Shooting Star: Die venezolanisch-amerikanische Künstlerin Luchita Hurtado vereinte in ihrem umfangreichen Werk Abstraktion und Spiritualität und wurde zur Prophetin der Klimakrise. Nun ist sie kurz vor ihrem 100. Geburtstag gestorben

Ihr Tod wurde von der Galerie Hauser & Wirth bestätigt, die die Künstlerin in ihren letzten Lebensjahren vertreten hat. "Über 80 Jahre hinweg hat sich Luchita Hurtado der Dokumentation von Verbundenheit zwischen Menschen, der Natur und dem irdischen Leben verschrieben", schrieb die Galerie auf ihrem Instagram-Account. "Ihre tiefgründige Beschäftigung und ihr aufrichtiges Mitgefühl mit der Erde und der Menschheit manifestiert sich in ihrem umfangreichen Werk aus Gemälden, Zeichnungen, Fotografien und Drucken. Hurtados Werk formt eine weitreichende visuelle Sprache - es kombiniert Abstraktion und Figuration -, um die Bezüge zwischen Körperlichkeit und dem Planeten zu unterstreichen und die Dringlichkeit der aktuellen ökologischen Krise zu erkennen."

Luchita Hurtado wurde 1920 in der Küstenstadt Maiquetía in Venezuela nahe der Hauptstadt Caracas geboren. Als sie acht Jahre alt war, emigrierte sie mit ihrer Mutter und ihrer Schwester nach New York. Dort arbeitete sie nach ihrem Schulabschluss zuerst bei einer Zeitung, dann als Mode-Illustratorin und Designerin. Mit ihrem zweiten Mann, dem Maler Wolfgang Paalen zog sie Anfang der 1940er-Jahre nach Mexiko-Stadt, wo sie unter anderem Frida Kahlo, Diego Rivera  und Roberto Matta kennenlernte. Die Ehe mit Paalen zerbrach nach dem Tod von Hurtados Sohn aus erster Ehe, und sie zog zurück nach Amerika, wo ihre ersten datierten und signierten Bilder entstanden. Zuletzt lebte Luchita Hurtado in Santa Monica, Kalifornien. 

In ihrem Werk tauchen sowohl Elemente des Surrealismus als auch abstrakte Elemente, prähistorische Piktogramme und südamerikanische Muster auf, die Naturdarstellungen und menschliche Körper verbinden. Nachdem die Bilder Mitte der 2010er-Jahre von einem Kurator entdeckt wurden, der eigentlich den Nachlass ihres dritten Ehemannes Lee Mullican verwaltete, wurde ihre Kunst in den letzten Jahren ihres Lebens plötzlich weltweit gesehen. Die gleichzeitig abstrakten wie spirituellen Motive wirken im heutigen Diskurs um das Zusammenleben der Spezies und die Klimakrise fast prophetisch. 2018 waren Arbeiten Hurtados in der "Made in L.A."-Biennale im Hammer Museum in Los Angeles zu sehen. 2019 zeigte die Serpentine Gallery in London ihre erste museale Einzelausstellung. 

Im selben Jahr wurde sie vom "Time Magazine" unter die 100 einflussreichsten Personen des Jahres gewählt. "Ihre Vision vom menschlichen Körper als Teil dieser Welt, der nicht von der Natur getrennt ist, ist dringlicher als je zuvor", schrieb der Serpentine-Direktor Hans-Ulrich Obrist in seiner Würdigung. "Luchitas meisterhaftes Oeuvre bietet eine außergewöhnliche Perspektive, die Aufmerksamkeit auf die Grenzen unseres Körper und die Sprache lenkt, die wir benutzen, um die Lücke zwischen uns und anderen zu überbrücken."