"Fantasiemuskel"-Podcast #54

Kulinarik als Freiheitskunst – mit Ute Cohen

Fantasiemuskel mit Ute Cohen
Foto: Raimar von Wienskowski

Ist Kochen Kunst? Kann Kulinarik gesellschaftliche Transformation bewirken? In dieser Folge von "Fantasiemuskel" geht die Journalistin und Schriftstellerin Ute Cohen mit den beiden Podcastern Alexander Doudkin und Torsten Fremer auf eine sinnliche und intellektuelle Entdeckungsreise

Ausgangspunkt ist ihr aktuelles Buch "Der Geschmack der Freiheit". Aufgewachsen in einer intellektuell reichen, aber finanziell eher prekären Umgebung, entwickelte Ute Cohen schon früh ein Gespür für die symbolische und existentielle Bedeutung von Nahrung. Sie berichtet, wie russische Literatur – von Tolstoi bis Dostojewski – ihr Verständnis vom Essen als Spiegel der Gesellschaft prägte: das sanfte Einverleiben bei Tolstoi, das ungestüme Schlingen bei Dostojewski. Nahrung ist weit mehr als eine physische Notwendigkeit, sondern ein Medium der Kultur, der Macht – und der Freiheit.

Wir lernen, dass Geschmack Ausdruck und Produkt von Sozialisation, Erziehung und gesellschaftlichen Normen ist. Cohen beschreibt, wie unsere Esskultur von Disziplinierung und Konventionen geprägt ist, aber eben auch von Möglichkeiten ihrer Überschreitung.

Kulinarik ist für Cohen ein kreativer Akt, der die Grenzen zwischen Kunst und Leben aufhebt. Sie spricht in diesem Zusammenhang über die Tradition der Performanceküche eines Daniel Spoerri, von den avantgardistischen Experimenten des Molekularkochs Ferran Adrià oder den ästhetischen Inszenierungen des Patissiers Cédric Grolet der mit seinen Trompe-l'œil-Kreationen die Kunst der Täuschung perfektioniert.

Die transformative Kraft der Kochkunst

Immer gehe es beim Kochen um Komposition, Balance und Ausdruck. Gleichzeitig bleibt die Kulinarik eine der letzten widerständigen Disziplinen: Sie entzieht sich der völligen Vereinnahmung, fordert unsere Wahrnehmung heraus und kann ganz neue Formen von Gemeinschaft und Zusammenhalt stiften.

So zeige sich die transformative Kraft der Kochkunst besonders in Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche. Cohen berichtet exemplarisch, wie Kulinarik in der französischen Revolution bestehende Normen in Frage stellt oder wie der italienische Futurist Filippo Tommaso Marinetti in Italien die Pasta abschaffen wollte, um die Moderne radikal neu zu denken.

Auch aktuell erlebt Kulinarik eine politische Dimension: Zwischen Slow- und Fastfood, nachhaltiger Ernährung und der Kritik an globalen Versorgungssystemen zeigt sich, dass Geschmack immer auch gesellschaftliche Haltung ist und ein Akt der Freiheit sein kann. Für Cohen zeigt sich also, die Kunst des Kochens darin besteht, dass es die Wahrnehmung von Geschmack, Gemeinschaft und Gesellschaft verändert – ein kreativer, formender und manchmal auch rebellischer Akt.

Sie können "Fantasiemuskel", den Monopol-Podcast über Kunst, Wirtschaft und gesellschaftliche Transformation, auf allen bekannten Plattformen hören – oder die neue Folge direkt hier: