Kunst und Verbrechen

Spannender als so mancher Krimi

 In einem von der Polizei Sachsen veröffentlichtem Überwachungsvideo sind zwei Personen beim Einbruch ins Grüne Gewölbe zu sehen
Foto: Polizei Sachsen/dpa

Spektakuläres Kunstverbrechen: In einem von der Polizei Sachsen veröffentlichtem Überwachungsvideo sind im November 2019 zwei Personen beim Einbruch ins Grüne Gewölbe in Dresden zu sehen. Sie erbeuteten mehrere wertvolle Schmuckstücke aus dem Juwelenschatz

Stefan Koldehoff und Tobias Timm haben ein Buch über Kunst und Verbrechen geschrieben. Darin wird auch deutlich, warum die Branche für Kriminelle so attraktiv ist

1911 finden im Louvre in Paris Umbauten statt. Der Glaser Vincenzo Perrugia, der ebenfalls dort arbeitet, lässt sich eines Sonntags mit zwei Komplizen einschließen, um dann in aller Seelenruhe die "Mona Lisa" von ihrem Platz zu nehmen und am nächsten Tag unbehelligt mit Leonardos Meisterwerk aus dem Museum zu spazieren. Das Bild sollte zwei Jahre lang verschollen bleiben, obwohl es in Perrugias Wohnung - direkt neben dem Louvre - unter dem Bett lag.

Doch der Diebstahl war gar nicht das eigentlich lukrative Verbrechen. Der größte Nutznießer war ein Argentinier namens Eduardo de Valfierno, genannt Marqués, der die "Mona Lisa" kurzerhand mehrmals verhökerte. Natürlich alles Fälschungen. Doch jeder Käufer wurde im Glauben gelassen, die Gestohlene gekauft zu haben und nun das Original zu besitzen. Die Schlagzeilen aus Paris belegten ja, dass das Gemälde nicht mehr im Louvre hing.

Dies ist einer der eleganteren Coups, den die beiden Journalisten und Kunstmarktexperten Stefan Koldehoff und Tobias Timm in ihrem neuen Buch "Kunst und Verbrechen" beleuchten. Doch die Qualität von Kunstkriminalität ist längst brutaler geworden. Da marschieren ehemalige, mit abgeschnittenen Schrotflinten bewaffnete Soldaten während der Öffnungszeiten ins Museum und reißen die Kunstwerke von der Wand, um danach die Versicherungssummen zu erpressen. So geschehen 2008 im Zürcher Museum der Stiftung Bührle.

Raub, Diebstahl, Steuerhinterziehung

Exemplarisch arbeiten sich Koldehoff und Timm durch Raub, Diebstahl, Betrug und Steuerhinterziehung im Kunstmilieu. Dabei wird deutlich, warum Kunst so ein beliebtes Ziel von Verbrechen ist. Durch explodierende Preise und eine Händlermentalität, die eher an einen mittelalterlichen Markt als an White-Cube Transaktionen denken lässt, ergeben sich ungeahnte Möglichkeiten, die Herkunft von Geld zu verschleiern. Da der Wert von Kunstwerken nicht objektiv zu bestimmen ist, entscheiden hier ausschließlich Angebot und Nachfrage über den Preis.

Da gibt es Kleptokraten, die unvorstellbare Schätze angehäuft, oder erfolgreiche Kuratoren, die fröhlich Raubkunst eingekauft haben. So geschehen 2005 am Getty Museum in Los Angeles. Den besessenen Sammler, der die Kunst um der Kunst Willen stehlen lässt und dann abends bei einem Glas teuren Rotwein seine Beute begutachtet, sucht man vergebens. Die Kunst ist Investitionsobjekt, Druckmittel oder Wertanlage und könnte auch ein teures Auto oder eine Rolex-Uhr sein.

Am nächsten kommt dem Typ des Gentlemen- Ganoven, dem es auch um soziales Prestige geht, im Zweifel noch der Kunstberater Helge Achenbach. Der hat seinen Klienten und Aldi-Erben Berthold Albrecht mit falschen Rechnungsbeträgen um mehrere Millionen betrogen und saß im Gefängnis. Inszwischen ist er auf Bewährung wieder frei.

Geschäft mit Fälschungen blüht auch bei kleineren Beträgen

Doch die beiden Autoren beschreiben auch weniger spektakuläre Verbrechen, die deswegen nicht minder interessant sind. Wenn es zum Beispiel um Auktionen von gefälschten Druckgrafiken geht, bei denen die Geschädigten um 300 Euro betrogen wurden, sich aber nicht weniger übers Ohr gehauen fühlen. Solche Fälle zeigen, dass sich das Geschäft mit Fälschungen nicht nur jenseits der Millionengrenze abspielt. Ähnlich verhält es sich auf dem blühenden Markt mit Nazi-Devotionalien. Auf Militaria-Messen wird alles, was Hitler angeblich auch nur einmal mit seinem Blick gestreift hat, feilgeboten. Natürlich zu rein wissenschaftlichen Zwecken. Von den Behörden wird das kaum beachtet.

Dass der Versuch, den Kunstmarkt durch Auflagen stärker zu regulieren und so transparenter zu machen, nicht im Interesse aller Akteure ist, zeigte schon die massive Lobbyarbeit der Kunsthändlerverbände 2016 gegen das Kulturschutzgesetz. Jetzt richtet man sich gegen die neue EU-Geldwäsche-Richtlinie, nach der finanzielle Transaktionen klar dokumentiert und die Menschen hinter dem Geld oder der Briefkastenfirma eindeutig identifiziert werden müssen.

Einige schwarze Schafe auf dem Kunstmarkt scheinen nach wie vor zu denken, für sie würden Sonderregeln gelten. Ein paar besonders aufsehenerregende Fälle kann man in diesem Buch nachlesen, das spannender ist als so mancher Kriminalroman.