Familienbetrieb Kunst (4)

"Irgendetwas anders machen ..." Lena Brüning über die Galeristenfamilie Schmela

Ihr Großvater Alfred Schmela schrieb in den 60er-Jahren vom Rheinland aus Kunstgeschichte: Er zeigte Werke von Yves Klein, Joseph Beuys, Gerhard Richter, Christo oder der Gruppe Zero, zu einer Zeit, als noch wenige von diesen Künstlern gehört hatten. Empfinden Sie so etwas wie Stolz, wenn Sie an ihn denken?
Ja natürlich, vor allem bin ich auf den Pioniergeist stolz. Mein Großvater hat gemeinsam mit meiner Großmutter Monika die Galerie in Düsseldorf eröffnet, als es in Deutschland eine Kunstlandschaft wie heute noch gar nicht gab. Es war damals sehr mutig, schon fast eine verrückte Idee, zeitgenössische Kunst zu zeigen. Eigentlich war mein Großvater Künstler. Irgendwann hat er beschlossen, wenn er nicht der allerbeste Künstler sein kann, dann will er eben der allerbeste Galerist sein.
 
Heute wird er als ein Wegbereiter der Avantgarde bezeichnet. Sie mussten wahrscheinlich erst einmal lernen, mit diesem Erbe umzugehen.
Mich betrifft das nicht so stark, da ich die dritte Generation bin. Ich habe nicht persönlich miterlebt, wie er gewesen ist, ich kenne meinen Großvater nur aus Erzählungen. Was meine eigene Galerie betrifft, war es für mich wichtig, nach Berlin zu gehen. Nicht nur weil Berlin für die Kunst eine der spannendsten Städte ist, sondern weil ich ein eigenes Programm mache. Es wäre schwierig gewesen, mich als Galeristin eigenständig zu positionieren, wenn ich in der gleichen Stadt wie mein Großvater und meine Mutter begonnen hätte.
 
Wie ging es mit der Galerie Schmela 1980 nach dem Tod ihres Großvaters weiter?
Meine Eltern haben zusammen mit meiner Großmutter als Chefin die Galeriearbeit fortgesetzt. Meine Mutter war damals 26 Jahre alt, und die ganze Verantwortung mit zu übernehmen, war ein sehr harter Einschnitt für sie. Offiziell war meine Mutter Geschäftsführerin, de facto hat sie mit meiner Großmutter gleichberechtigt zusammengearbeitet und die Galerie, so wie sie war, lange Zeit aktiv weitergeführt. Zwischendurch gab es eine Zeit des Kunsthandels, ohne ständigen Ausstellungsbetrieb. Nachdem meine Großmutter starb, übernahm meine Mutter die Galerie allein und leitet sie bis heute mit einem neuen Programm.

Kam für Sie nie in Frage, bei Ihrer Mutter einzusteigen?
Wir haben uns sehr bewusst dagegen entschieden, weil es auch für meine Großmutter und meine Mutter wohl nicht immer einfach war, das Mutter-Tochter-Verhältnis mit dem Chefin-Geschäftsführerin-Verhältnis zu vereinen. Hinzu kommt, dass ich mein eigenes Programm machen möchte. Wir tauschen uns aus, arbeiten aber getrennt voneinander.

Sie tragen den Nachnamen Ihres Vaters, Andreas Brüning ...
Mir war immer wichtig, diesen Namen zu behalten. Ich wollte sehen, dass es nicht nur der Name ist, der mich weiterbringt oder ausmacht.
 
Nutzten Sie den Namen Schmela nie strategisch, um auf Ihre Herkunft hinzuweisen, etwa wenn Sie sich für einen neuen Künstler interessieren?
Auf keinen Fall. Obwohl es natürlich auch schön ist, mit dieser Familiengeschichte in Verbindung gebracht zu werden. Aber manchmal brauche ich es eben auch, ich selbst zu sein, ohne all das. Die Leute, die sich im Kunstbetrieb auskennen, wissen es oft, ohne dass ich es anspreche.
 
Berlin ist weltweit die Stadt mit den meisten Galerien. Sie haben 2005 Ihre erste Galerie hier eröffnet und sich innerhalb kürzester Zeit auf dem Kunstmarkt etabliert. Liegt das nicht auch unmittelbar an Ihrem Familienhintergrund?
Das glaube ich nicht. Ich bin wirklich sehr engagiert. Von Anfang an habe ich sehr viel gearbeitet, und im ersten Jahr gab es sehr wenig Resonanz. Um Aufmerksamkeit zu bekommen, musste ich mich anstrengen, strampeln und unterwegs sein. Wenn die Qualität der Galeriearbeit und der Künstler nicht gut ist, dann bringt es auch nichts, wenn man aus einer tollen Familie kommt.
 
Studiert haben Sie in Düsseldorf Literaturwissenschaft. Der erste Weg war also nicht in die Galerie.
Es lag ein wenig an meiner Großmutter: Sie war sehr belesen und sprach diese ganzen Fremdsprachen. In meiner Familie gab es Kunst, Kunst, immer nur Kunst. Ich dachte, ich muss irgendetwas anders machen. Da lagen Literatur oder Sprachen nah. Ich habe das Studium abgeschlossen, aber auf halber Strecke hat sich mein Privatleben so entwickelt, dass meine Freunde von der Kunstakademie in Düsseldorf mich zurück zur Kunst gebracht haben. Ich hab dann irgendwann eingesehen, dass es nicht lohnt, sich nur aus Trotz gegen etwas zu sträuben, was man eigentlich machen will. Das war wie ein Sog.
 
Haben alle in Ihrer Familie positiv reagiert auf Ihren Entschluss, Galeristin zu werden?
Mit 21 Jahren ging ich zu meiner Großmutter, da war sie schon sehr alt. Als ich ihr sagte, dass ich mir vorstellen könnte, Galeristin zu werden, fragte sie: Bist du wirklich sicher, dass du diesen schrecklichen Beruf ergreifen willst? Überleg dir das gut! Dann hab ich sie nur angeguckt und gedacht, na ja, eigentlich sieht das hier nicht so aus als wäre alles so schrecklich. Das hat mich nur noch mehr in meinem Entschluss bestärkt. (lacht)
 
Gab es Reaktionen von Künstlerseite, als Sie anfingen?
Richard Tuttle, der bei meinem Großvater ausgestellt hat, als er noch sehr jung war, fand es sogar spannend, 2007 bei mir auszustellen. Das war natürlich für mich ein unglaubliches Erlebnis. Damit hat er alle drei Galeristen-Generationen unserer Familie durchlaufen.
 
Gab es in Ihrer Kindheit besondere Erfahrungen mit Künstlern aus der Familiengalerie?
Die 35. Geburtstagsparty meiner Mutter, die in unserem Haus mit dem Skulpturenpark in Lohhausen bei Düsseldorf stattfand. Da war wirklich die Crème de la Crème der Kunstszene. Mich hat sehr beeindruckt, wie da miteinander umgegangen und gefeiert wurde. Sigmar Polke, Jean Tinguely, Jörg Immendorff, Thomas Ruff waren da.
 
Profitieren Sie von dem Wissen Ihrer Mutter?
Das ist ein zweischneidiges Schwert. Viele gute Ratschläge, die sie mir gibt, sind perfekt für jemanden wie sie, die viele etablierte Positionen vertritt. Aber manchmal kann man diese Hinweise nicht eins zu eins auf die eigene Situation anwenden. Der beste Rat, den sie mir mit auf den Weg gegeben hat: Nie aufgeben und immer weitermachen, auch wenn man zwischendurch enttäuscht ist oder mal eine Flaute hat. Das man sein Energieniveau halten muss und nie aufhört nach Künstlern, Sammlern und neuen Möglichkeiten zu suchen. Wenn eine Sache nicht funktioniert, ist die nächste wahrscheinlich noch besser.

Zwei Aspekte erweisen sich für die Galerie Schmela als traditionell: das richtige Gespür für Künstler und Neuem Raum zu geben. Erkennen Sie sich als Galeristin darin wieder?
In gewisser Weise schon, weil ich auch überwiegend Künstler ausstelle, die ich entdeckt habe und keiner sie vorher auf dem Kunstmarkt kannte. Mein Anspruch ist Künstler bekannt zu machen und ihre Karrieren aufzubauen. Ich möchte auch so eine Entdeckergalerie sein. Das ist, was an dem Beruf am meisten Spaß macht.

... und was ist mit dem häufig betonten Schmela-Gespür für Künstler?
Für mich ist der Umgang mit Kunst und Künstlern immer ein ganz normaler Teil des Lebens gewesen. Ich hatte eben den Vorteil mit dem Besten vom Besten aufzuwachsen. Beuys, Gruppe Zero, Yves Klein. Auch Klassiker wie Picasso hingen bei uns zu Hause. Mit meiner Familie teile ich diese unverstellte Art, mit Kunst umzugehen. Mein Zugang zur Kunst ist offen und frei. Dazu muss ich Hundertprozent hinter meinen Künstlern stehen können, damit ich sie glaubhaft bei meinen Sammlern vertreten kann.
 
Haben Sie inhaltliche Vorlieben nach denen Sie suchen?
Ich mag Kunst, die einen Assoziationsraum für den Betrachter eröffnet. Kunst zieht mich an, wenn sie poetisch, geheimnisvoll oder rätselhaft ist. Das kann durchaus opulent oder auch minimalistisch sein. Vielleicht hat das mit meiner Affinität zur Literatur zu tun. Das ist mein ganz persönlicher Zugang.