Kunstwerke aus dem Lager

Malen, um zu überleben

Paris (dpa) – Ein Gesicht aus Ziegelsteinen. Hans Bellmer hat das Porträt des Surrealisten Max Ernst im Internierungs- und Deportationslager Camp des Milles bei Aix-en-Provence gezeichnet, wo er zusammen mit Ernst und vielen anderen deutschen Künstlern in der ehemaligen Ziegelfabrik interniert war. Ihnen widmet das mittlerweile zu einer Gedenkstätte umgestaltete riesige Gebäude nun eine Ausstellung. Gezeigt werden Bilder, die in dem Lager entstanden sind. Ihre Autoren: Max Ernst, Hans Bellmer, Wols und Ferdinand Springer.

Die rund 60 Zeichnungen, Aquarelle und Gouachen sind meist figurativ. Sie stellen Porträts dar, deformierte Menschenkörper oder bizarre Wesen in einem Zirkus. Fast immer tauchen jedoch rote Ziegelsteine auf. Denn bevor «Les Milles» zu einem Internierungs- und Deportationslager wurde, war es eine riesige Ziegelei. So malen Bellmer und Ernst in «Creations, les creatures de l’imagination» eine Wand aus roten Ziegelsteinen, auf der ein Bild hängt, das zwei Frauen zeigt, die sich über zwei liegende Männerkörper beugen. Neben den bis zum 15. Dezember ausgestellten Werken werden auch zahlreiche Dokumente gezeigt.

«Wir sind Anfang November 1939 in Milles angekommen. Beim Laufen wirbelten wir eine riesige Staubwolke auf – Staub von Ziegelsteinen, Erde, Stroh - und meine erste Wahrnehmung […] durch diese Art Nebel hindurch, war […] das Gesicht von Max Ernst. So wie er und viele andere, werde ich ein Mensch aus Ziegelstein sein», berichtete aus dieser Zeit der Maler und Grafiker Ferdinand Springer.

Im «Camp des Milles» waren zwischen 1939 und 1942 mehr als 10 000 Menschen eingesperrt, darunter Juden, Kommunisten, Intellektuelle und die halbe deutsche Kulturelite, darunter 40 Maler. Sie haben gemalt, um zu überleben, wie Springer schrieb: «Später in Milles habe ich viel gezeichnet (...) das half mir vorübergehend das materielle und moralische Elend um mich herum zu vergessen.»

Wols, ein wichtiger Wegbereiter und Vertreter des Tachismus, war 27 Jahre alt, als er 1940 in «Les Milles» interniert wurde. In seinen surreal anmutenden Papierarbeiten thematisierte er das Lagerleben als Zirkus, als Welt, die durcheinander geraten ist. Bizarre Figuren, halb Mensch, halb Tier bevölkern seinen «Wols Circus».

Einige Künstler haben sich direkt auf den Wänden verewigt. Bei der Renovierung des vierstöckigen Gebäudes wurde «Das Bankett der Nationen» freigelegt, eine riesige Wandmalerei. Sie zeigt Menschen aller Rassen an einer Festtafel, von der die hungernden Insassen nur träumen konnten. Sie wird Karl Bodek zugewiesen, der im August 1942 nach Auschwitz deportiert wurde.