Medienschau

"Beschissener sozialistischer Realismus, der einfach in den Westen gewandert ist"

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Die "taz" empört sich über die Einlassungen der Kunstwelt mit Saudi-Arabien, der "Freitag" empfiehlt, Künstlerinnen auf keinen Fall nach ihren Lieblingsmalern zu fragen, und Daniel Richter schimpft über politische Kunst

Debatte

Wie kann es sein, dass westliche Kulturinstitutionen, Experten und Kuratorinnen mit Saudi-Arabien zusammenarbeiten, fragt sich Ingo Arend in einem "taz"-Artikel über die moralische Verantwortung der Kunstszene. Die Deutsche Ute Meta Bauer etwa als Kuratorin der Diriyah Biennale, das Pariser Centre Pompidou mit seiner geplanten Zweigstelle in dem Königreich, die deutsch-polnische Künstlerin Alicja Kwade und der US-Künstler James Turrell mit ihren Außenskulpturen beim Desert-X-Festival, das Pittsburgher Andy Warhol Museum mit einer auf jede sexuelle Anspielung verzichtende Schau des Pop-Art-Künstlers ... Arend zitiert dabei auch aus einem aktuellen Monopol-Interview mit Ute Meta Bauer: "Doch wenn Bauer Reportern gegenüber zugibt: 'Man darf keine anderen Religionen promoten oder keine sexuellen Inhalte zeigen', wird offensichtlich, welch enge Grenzen ihrem Versuch gesetzt sind, 'kritische Diskurse zu entwickeln'. Und der gewandelte soziokulturelle Kontext ändert nichts an der Tatsache, dass die Biennale unter der direkten Kontrolle des kompromittierten Kronprinzen steht und von ihm bezahlt wird." Gemeint ist Mohammed bin Salman, "der kurzen Prozess mit seinen zivilgesellschaftlichen Geg­ne­r:in­nen macht, in dessen Reich auf Homosexualität die Todesstrafe steht und dem der Auftrag zu dem Mord an dem Blogger Jamal Kha­shoggi 2018 im saudischen Generalkonsulat in Istanbul zur Last gelegt wird."

Malerei

Für die "Financial Times" porträtiert Kristina Foster den Maler Daniel Richter anlässlich seiner Ausstellung "Stupor" bei Thaddaeus Ropac in London – und verlässlich liefert der Berliner Künstler meinungsfreudige Zitate. Etwas zu gegenständlicher Kunst, die sich mit Identitätspolitik oder gesellschaftlichen Fragen auseinandersetzt: "Beschissener sozialistischer Realismus, der einfach nach Westen gewandert ist. Die Leute scheinen sich im Moment selbst den Auftrag zu geben, etwas zu machen, das mit bestimmten politischen oder sozialen Themen zu tun hat. Aber es ist immer noch langweilige Malerei, wie DDR-Bilder mit mehr Farbe." Richter selbst hat früher bekanntlich politische Werke geschaffen, etwa zum Umgang Europas mit der Flüchtlingskrise. Er sei aber müde geworden "von einem politischen Bild zum anderen springen". Überhaupt seien seine neuen Bilder "freier von Konventionen. Als Maler fühle ich mich freier, wie ein Kind in der Bäckerei. Früher stand man vor der Bäckerei. Man sieht eine Menge schöner Kuchen, aber man kann sie nicht anfassen. Und jetzt fühle ich mich, als wäre ich in der Bäckerei und würde mit Kuchen um mich werfen."

In ihrer Kolumne "Kunsttagebuch" schreibt Laura Ewert im "Freitag" diesmal darüber, wie heikel es sein kann, Künstlerinnen im Smalltalk nach ihren Lieblingsmalern zu fragen - "eine Frage wie eine Abrissbirne". Und man sollte selbst eine originelle Antwort parat haben. "Und weil ich mich nicht entscheiden kann, würde ich dazu tendieren, unterschiedliche Namen zu nennen. Dieser Tage zum Beispiel würde ich Jana Euler sagen."

Porträt

Helga Meister schreibt in einem Doppelporträt im "Tagesspiegel" über die Brüder Walther und Kasper König. Der eine  Buchhändler, Verleger und Kunstvermittler, der andere Kurator und ehemaliger Museumsdirektor. "König und König, beide aus dem Münstlerland, haben sich ein Leben lang die Bälle zugeworfen und tun es noch heute." In diesem Monat wird Walther König mit dem Art-Cologne-Preis als Kunstvermittler geehrt. Damit erhält erstmalig ein Buchhändler und Verleger diese Auszeichnung.

Kunstgeschichte

Anlässlich der Eklats um aufgezwungene Küsse des Ex-Fußball-Funktionärs Luis Rubiales und des kroatischen Außenministers Gordan Grlić Radman schaut Gerhard Matzig in der "SZ" in die Kulturgeschichte des Kusses, als "eine der bedeutsamsten und eben deshalb strittigsten Gesten der Menschheitsgeschichte": "Vor allem im Jugendstil, da der Kuss Hochkonjunktur hat, wird der Zusammenhang zwischen Liebe, Körperlichkeit und neuen Geschlechterrollen brisant. Das wird offenbar aktualisiert. Kusstechnisch sind wir im Jugendstil 2.0 angekommen."

Das besondere Kunstwerk

Nur wenige Tage nach ihrer Veröffentlichung nimmt die vermutlich letzte Aufnahme der Beatles Kurs auf Platz eins der britischen Charts. "Now And Then" sei am ersten Wochenende bereits häufiger verkauft worden als die vier übrigen besten Singles zusammen, berichteten britische Medien am Montag unter Berufung auf die Official Chart Company. Nach nur zehn Stunden hatte das am Donnerstag veröffentlichte Werk den 42. Platz erreicht. Aller Voraussicht nach steht der Song bei der Chart-Veröffentlichung an diesem Freitag an der Spitze. Es wäre die 18. Nummer Eins der legendären britischen Band - und die erste seit "The Ballad of John and Yoko" vor 54 Jahren. Das Lied war ursprünglich von John Lennon in den 1970er Jahren komponiert und eingesungen worden. Nach Lennons Ermordung 1980 entwickelten die drei anderen Ex-Beatles Paul McCartney (81), Ringo Starr (83) und der 2001 verstorbene George Harrison das Werk weiter. Doch erst mithilfe technischer Neuerungen konnte der Song schließlich fertiggestellt werden - dank Künstlicher Intelligenz ist Lennons Stimme zu hören. Ein Musikvideo zeigt ebenfalls alle vier Mitglieder, dabei sind Lennon und Harrison als Archivaufnahmen zu sehen. Der offizielle Clip wurde bei Youtube bis Montagmittag bereits mehr als 20 Millionen Mal angeschaut. Ringo Starr sagte jüngst der "Sunday Times", er hoffe, dass man sich einmal "mit Liebe" an die Band erinnern werde. "Wie viele Streams hatten wir vergangenes Jahr? Eine Milliarde, drei Milliarden? Es haut mich um. Der Beat geht immer noch weiter, weißt du?"