Medienschau

Disneyfizierung und Affektbewirtschaftung

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Die prekären Arbeitsbedingungen in der Kreativindustrie, der neue Podcast "Tatort Kunst" und ICE-Drama um Florentina Holzingers Harfe: Das ist unsere Presserundschau am Donnerstag

Debatte

Ulrich Reitz darf im "Focus" auch noch seine Meinung zum Safer Space für BIPoC in der Dortmunder Zeche Zollern loswerden. In dem LWL-Museum läuft als Ausstellungswerkstatt seit Frühjahr "Das ist kolonial" mit der Besonderheit, dass der Raum jeweils samstags vier Stunden lang reserviert ist für "Menschen, die von Rassismus betroffen sind". Reitz führt mit seinem Text vor, wie notwendig solche Räume sind, verwendet er doch ein rassistisches Schimpfwort nach dem anderen. Und der ehemalige "Focus"-Chef maßt sich an, für marginalsierte Gruppen zu sprechen: "Ein Schutzraum eigens für Farbige sperrt diese Menschen in ihrer Gruppenzugehörigkeit ein." Unseren Kommentar zu dieser "Debatte" lesen Sie hier

Report

Kolja Haaf denkt in einem langen "SZ"-Artikel über die prekären Arbeitsbedingungen in der Kreativindustrie nach und hat dafür mit Menschen aus der Branche gesprochen. Dass Künstlerinnen und Künstler arm sind, sei nicht neu, bilanziert er. "Es wird mittlerweile eher als normal angesehen. Der struggling artist ist ein geflügeltes Wort und es gilt in vielen kreativen Branchen als selbstverständlich, dass man auf vieles verzichtet für das Privileg, kreativ sein zu dürfen."

Kunstmarkt

Ob Fälschungen, Geldwäsche oder der zweifelhafte Umgang mit Objekten aus der Kolonialzeit: Der Deutschlandfunk nimmt sich im neuen Podcast "Tatort Kunst" die Schattenseiten der Kunstbranche vor. In der ersten Staffel präsentieren Stefan Koldehoff und Rahel Klein fünf Beispiele. Es gehe dabei durchweg um neu recherchierte Fälle, sagte Koldehoff, Chefreporter Kultur, in einem Interview für das Programmheft des Deutschlandradios, "Das Magazin". "Die investigativen Recherchen zur ersten Staffel haben Monate gedauert", erläuterte Koldehoff. "Nicht selten war das Team undercover unterwegs. Manche Menschen, mit denen wir gesprochen haben, wollten ihre Informationen nur unter der Bedingung absoluter Anonymität preisgeben. Die Zusicherung, dass auch dieses Format den journalistischen Qualitätsstandards der Deutschlandradio-Programme voll und ganz entspricht, gab schließlich in vielen Fällen den Ausschlag." Alle sieben Episoden der Staffel sind ab heute beim Deutschlandfunk verfügbar.

Evelyn Vogel gibt in der "SZ" eine Vorschau und Hintergründe zum Münchner Galerienwochenende Various Others

Ausstellung

Jörg Scheller bespricht in der "Zeit" die Ausstellung "Tod und Teufel: Faszination des Horrors" im Düsseldorfer Kunstpalast und stellt sich Adorno vor, der vielleicht fragen würde: "Braucht es eine solche Disneyfizierung und Affektbewirtschaftung, um ein müdes, übersättigtes Publikum noch irgendwie in die Musentempel zu locken?" Scheller liefert die Antwort sofort mit: "Ja, das braucht es!" Denn: "Wir modernen Demokraten und Konsumisten-Materialisten sind keine entrückten Gottesebenbilder mehr und bilden auch nicht länger die humanistische Krone der Schöpfung. Wir sind, nicht nur, aber auch: billige, trashige, triviale Wesen – und diese Wesen erreicht man manchmal nur, wenn man mit dem Hammer zu ästhetisieren bereit ist."

Der Printausgabe der "Zeit" liegt heute ein großes Museums-Spezial mit einem Ausblick auf kommende Ausstellungen.

Interview

Wenn der Hamburger Schriftsteller Heinz Strunk (61) vor 20 Jahren mit seinem Buch "Fleisch ist mein Gemüse" nicht so einen Erfolg gehabt hätte, wäre sein Schicksal wohl tragisch ausgegangen. "Dann wäre ich inzwischen leider tot, glaube ich. Ich war im Jahr 2004, bevor das Buch erschien und zu meiner Rettung wurde, wirklich an einem Punkt angekommen, an dem ich nicht weiterwusste", sagte Strunk in der deutschen Ausgabe des "Playboy". Das Buch war am Ende sein Durchbruch und seitdem sind mittlerweile zwölf Bücher erschienen.

Das besondere Objekt

Vor einigen Wochen reiste die Choreografin Florentina Holzinger mit ihrem 15-köpfigen Ensemble in einem ICE nach Berlin. Für eine Harfe hatte sie einen Sitzplatz reserviert. Im überfüllten Zug kommt es bei den Fahrgästen wegen der Harfe zu Protesten. Es eskaliert bis zu einem unplanmäßigen Stopp in Uelzen und dem Einsatz der Bundespolizei. Holzinger hat diese Geschichte nun Moritz von Uslar erzählt, der sie für "Die Zeit" protokolliert hat. "Wie ich mich umdrehe, steht die Polizei schon hinter mir, eine Zehnerschaft, schwarze Westen, Colts, Schlagstöcke, Handschellen, normaler Auftritt. Ich habe eine Zeit lang gebraucht, die in Verbindung mit unserer Truppe zu bringen. Als Choreografin der Show, gewissermaßen die Reiseleiterin, fühlte ich eine Verantwortung, einen Schutzmechanismus der Gruppe gegenüber, ich will Dramen vermeiden: Einem Bullen einen Stinkefinger zeigen – da weiß ich, dass das nicht so intelligent ist." Wird es gut ausgehen?