Wagner-Festspiele

Applaus für Angela Merkel in Bayreuth

Angela Merkel hat die Wagner-Festspiele in Bayreuth zum letzten Mal als Bundeskanzlerin besucht. In diesem Jahr ist bei der Traditionsveranstaltung vieles anders. Aktionskünstler Hermann Nitsch wird die "Walküre" mit seinen Bildern ausstatten

Es ist der Abend der Frauen in Bayreuth: Als nach der Premiere der Oper "Der fliegende Holländer" am Sonntagabend der Vorhang fällt, brandet frenetischer Applaus auf, wie man ihn nicht immer hört im Festspielhaus. Als dann Dirigentin Oksana Lyniv vor den Vorhang tritt, jubelt das Publikum ihr begeistert zu. Ihr, der ersten Frau am Dirigentenpult in 145 Jahren Festspielgeschichte.

Vorher hat sie so souverän, kraftvoll, zügig und auf den Punkt durch die knapp zweieinhalb Stunden lange Oper geführt. Dabei lässt sie sich auch von technischen Widrigkeiten und einer Inszenierung, die es sich zum Ziel gemacht zu haben schien, es der Musik an diesem Abend so schwer wie möglich zu machen, nicht aus dem Konzept bringen. Ein gelungener Einstand für die 43 Jahre alte Bayreuth-Debütantin und frühere Assistentin von Star-Dirigent Kirill Petrenko.

Prominentester Premierengast war Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die kurz vor Beginn vorfuhr und mit ihrem Mann Joachim Sauer kam. Im schwarzen, langen Rock und im orange-farbenen Blazer schritt Merkel vor das Königsportal, wo Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sie erwartete. Statt Händedruck begrüßten sich die beiden Politiker corona-konform mit einer Verbeugung. Zugleich erklang vom Balkon oberhalb des Portals die erste Fanfare, die den baldigen Beginn der Aufführung anzeigte. 

Eine Dirigentin - "Endlich!"

Es ist Merkels Abschiedsbesuch als Kanzlerin in Bayreuth. Ihre Amtszeit endet nach der Bundestagswahl im Herbst. Die Kanzlerin gilt als große Anhängerin von Wagners Werk und war regelmäßig in Bayreuth zu Gast. Auf die erste Dirigentin bei den Festspielen angesprochen antwortet sie bei einem kurzen Empfang nach der Premiere knapp und deutlich: "Endlich!"

Es habe bisher nicht allzu viele Dirigentinnen gegeben, sagt Festspielleiterin Katharina Wagner bei eben jenem Empfang. Es gehöre Mut dazu, dies zu lernen. Nun aber gebe es eine Generation, "die mutig genug ist". Wagner betonte, wie sehr die Live-Kultur während der Lockdowns gefehlt habe. "Das Publikum hat sich nach Kunst gesehnt, die Künstler haben sich nach Kunst gesehnt, die Intendanz hat sich nach Kunst gesehnt", sagte sie am Sonntagabend. Sie dankte den Gesellschaftern der Festspiele - dazu gehören unter anderem der Bund und der Freistaat Bayern -, dass das Festival heuer trotz andauernder Pandemie stattfinden kann.

Wegen der Corona-Einschränkungen dürfen in diesem Jahr 911 Menschen pro Vorstellung ins Haus, normalerweise sind es knapp 2000. Vieles ist eben anders als sonst am Grünen Hügel zu Bayreuth, wo Tradition immer noch großgeschrieben wird. Wer ein Ticket für die Festspiele hat, muss sich zuvor registrieren, denn rein darf nur, wer komplett geimpft, genesen oder getestet ist. Nach erfolgreicher Registrierung gibt es ein pinkfarbenes Bändchen fürs Handgelenk. Auch eine FFP2-Maske ist ein ungewohntes Accessoire für einen Opernabend. Muss aber derzeit sein. 

Hermann Nitsch will einen "Farbrausch"

Ungewohnte Bilder bieten sich auch neben dem Festspielhaus: Foodtrucks sind aufgebaut, um die lange Wartezeit zwischen Registrierung und Einlass zu verkürzen. Pastabox statt Hummerbratwurst – es wirkte wie ein kleiner Demokratisierungsschub am Grünen Hügel.

Durch den Ausfall im Vorjahr konnte die geplante Neuinszenierung von Richard Wagners vierteiligem "Ring des Nibelungen" nicht realisiert werden. Das Projekt wurde wegen Corona auf 2022 vertagt.

Als eine Art Ersatz dafür soll es in diesem Jahr zu jeder der vier "Ring"-Opern ein Projekt geben. So wird die "Walküre" die Handschrift von Hermann Nitsch tragen. Der österreichische Aktionskünstler, der für seine blutigen Orgien-Performances bekannt ist, wird sie malerisch gestalten. "Ich habe gar nicht gewusst, wie sehr meine Malaktion in die Klänge des "Ringes" hineinpasst", sagte er - und kündigte an: "Ich will einen Farbrausch bewirken." Nitschs Version der "Walküre" soll am 29. Juli Premiere feiern.

Zum diesjährigen Programm gehören zudem "Die Meistersinger von Nürnberg" in der Inszenierung von Barrie Kosky und Tobias Kratzers "Tannhäuser". Andris Nelsons und Christian Thielemann werden Konzerte im Festspielhaus dirigieren. Das Festival endet am 25. August.