Mit schwerem Kopf leichter zu verkraften: Keren Cytters Performance-Theater

Als ich sie an einem Sonntagmittag vor knapp zwei Jahren zum ersten Mal traf, war Keren Cytter stark verkatert, doch das störte nicht. Nun kam ich durchnächtigt zur Premiere des ersten abendfüllenden Stücks der 32-jährigen israelischen Künstlerin ins Berliner Hebbel-Theater – wieder kein Problem, was vielleicht daran liegt, dass man Widersprüchen und Uneindeutigkeiten und der manchmal auch nervenden Komplexität ihrer Arbeiten nach einem guten Rausch besser begegnen kann.

Es fing an mit dem kurzen Werk „Performer/Audience/ Mirror“, einer Adaption einer Dan-Graham-Performance aus den 70er-Jahren. Man saß am Fußboden vor einer Spiegelwand, auf die ein Scheinwerfer einen grellen Lichtpegel warf. Die beiden Darsteller, ein Mann und eine Frau, standen je hinter und vor dem Publikum, ihre Texte gingen ineinander über, sie erzählten von Erinnerungen und Träumen und reflektierten die Situation jetzt und hier: „Ich sehe eine Frau mit einem Schal in der hinteren Reihe, sie guckt ein bisschen kritisch, als überlegte sie, ob sie gleich gehen sollte.“

Das dauerte etwa 15 Minuten, gerade lang genug, nach einer halben Stunde Pause begann das Hauptstück „The true story of John Webber and his endless struggle with the table of content“. Darin geht es um den politischen Aktivisten John Webber und die Grafikdesignerin Linda Schultz, die eines Morgens aufwachen und feststellen, dass sie einem Geschlechtertausch unterzogen wurden, woraufhin ihr Leben aus den Fugen gerät. Keren Cytter sagt, sie habe unter anderem bei Pina Bausch, „Disney on Ice“, Samuel Beckett, Michael Jackson, Lambada und Yvonne Rainer Inspiration gefunden. Sie mischt Existenzialismus und Slapstick, anthropologische Studien und Small Talk, Sprache und Bilder, Filme und Tanz. Manchmal schien dies ein bisschen aufdringlich vieldeutig. Aber die meiste Zeit war man doch erstaunt, wie all diese Verweise und Selbstreflexionen auf dem Bühnenraum bestehen können, ohne sich in den Weg zu kommen.

Hebbel am Ufer, HAU 3, Berlin, 21. bis 24. Januar