Lucia Glass' Performance "Sensation" in Hamburg

Models, Kleider, Sensationen

Die meisten Menschen tragen Kleider – Lucia Glass tanzt sie. „Sensation“ ist der Titel ihres Stücks, das am 18. April auf Kampnagel in Hamburg Premiere hat. In dieser Inszenierung untersucht die junge Choreografin tänzerisch, welchen Einfluss Textilien auf ihre Träger haben – und umgekehrt. „Was macht das Kleid mit mir? Was macht meine Bewegung mit dem Kleid?“, formuliert Glass die zentrale Frage der Performance.

Um diese zu beantworten, greift sie nicht auf klassisch ausgebildete Tänzer zurück, sondern auf professionelle Models. „Wenn ich Tänzer genommen hätte und sie in Mode gesteckt hätte, wären aus den Kleidern Kostüme geworden“, erläutert Glass diese Entscheidung.



Sie weiß, wovon sie spricht: Von 1997 bis 2001 studierte sie zeitgenössischen Tanz in Arnheim, anschließend hat sie selbst lange als Tänzerin gearbeitet: „Ich bin als Tänzerin immer wieder in unterschiedliche Kostüme geschlüpft. Dabei habe ich festgestellt, dass diese mich stark darin beeinflussen, wie ich mich fühle und bewege.“ So entstand die Idee zu der Performance.

Mode im Sixpack

Zunächst machte sich die modeinteressierte Choreografin auf die Suche nach für ihr Projekt interessanten Designern. „Ich habe mir Designer ausgesucht, die Mode entwerfen, die dazu inspiriert, etwas mit ihr zu machen.“ Ihre Wahl fiel auf sechs Modeschöpfer, die jeweils wiederum fünf Stücke zu der Performance beisteuerten: Paula Immich, Kathrin Musswessels, Vladmir Karaleev, Maha Shakar, Maja Daphne Holzborn und Martha Binkowski. „Ich wollte eine gewisse Spannbreit an Materialien abdecken. Ich habe sehr darauf geachtet, dass die Stoffe unterschiedliche Qualitäten haben.“

Tatsächlich unterscheiden sich die fünf nicht nur in ihrem Bekanntheitsgrad – Vladmir Karaleev zeigt schon seit Jahren auf der Berliner Modewoche, während Maha Shakar gerade erst ihren Abschluss an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg gemacht hat – sondern vor allem hinsichtlich der Wahl ihrer Materialien und deren Verarbeitung. Shakar arbeitet ausschließlich mit Neopren, dass sie zuschneidet, verdreht und nur sporadisch vernäht. Die Berliner Designerin Paula Immich integriert künstliche Haarteile in ihre Kollektion, Martha Binkowski arbeitet unter anderem mit steifen Folien, die nicht nur Licht reflektieren, sondern auch in Bewegung Geräusche produzieren. Mode ist bei „Sensation“ mehr als nur ein visuelles Ereignis, sie ist ein ganzheitliches Erlebnis, dass alle Sinne aktiviert.

Mit Wassern gewaschen, vom Winde verweht

Vor den eigentlichen Proben stand zunächst erst einmal das Fitting mit den Models: „Jedes Model bringt eine eigene Körpersprache und ein eigenes Posing mit.“ Gemeinsam mit ihnen erarbeitete Lucia Glass dann das eigentliche Stück: „Wir haben den Models einzelne Teile angezogen und sie aufgefordert, damit zu spielen.“ Die Models sollten frei mit den Textilien experimentieren und schauen, zu welchen Bewegungen sie sie animieren.

Aber nicht nur die Auseinandersetzung der Models mit den Kleidern ist Thema der Performance. „Der Designer entwirft die Mode, aber ich als Choreografin möchte der Performance noch Elemente hinzufügen, auf die der Designer und die Models keinen Einfluss haben und ich selbst letztlich auch nicht.“ Daher verwendet Glass bei der Performance Licht, Nebel und Wasser. „Wenn ein Kleid nass wird, ergibt sich daraus noch einmal eine völlig neue Situation.“ Auch Sound, Bühnenbild, Haare und Make-up spielen bei „Sensation“ eine große Rolle. „Es ist eines der komplexesten Stücke, die ich bisher gemacht habe“, räumt Lucia Glass zurecht mit einigem Stolz ein.

Kampnagel, Hamburg, 18. bis 21. April
TQW – Summer Of Fashion, Wien, 29. Juni