Jorinde Voigt und Gregor Hildebrandt in Venlo

Nacht, sing uns dein Lied

Manchmal muss man in die niederländische Provinz reisen, um zwei Berliner in Höchstform zu erleben. Die Kollaboration steht ihnen gut. Nicht nur farblich scheint die Chemie zu stimmen. Die Frequenz ist vornehm reduziert und schwankt zwischen Rot, Grau und Schwarz. Auch der Ansatz, akustische und optische Erscheinungen in eine ganz eigene, nicht selten monumentale Materialität zu übersetzen, verrät im gemeinsamen Auftritt eine Wahlverwandschaft, die sich sonst nicht auf Anhieb erschließt.

Jorinde Voigt hat sich mit ihren Welterfassungsdiagrammen längst einen Namen als Sucherin nach Ordnung in einem mit Informationen überladenen Alltag gemacht. Gregor Hildebrandt wandelt mit seiner Speichermedienkunst auf den popkulturellen Spuren von New Wave und der Schwarzmalerei eines Pierre Soulages, pflegt eine Vorliebe für alkoholische Partyreste und setzt auf die Komplizenschaft mit Generationsgenossen, die seine versteckten Botschaften zu decodieren wissen.

 Der Gang durch die weitläufigen Hallenräume wird zur Demonstration des hohen Geschmacks. Jede Kante und Stützsäule des White Cube dient der ästhetischen Geometrie, die das Duo mit Bekenntnis zu minimalistisch klaren Formen einfordert. Mal wirkt das Nebeneinander von Voigts luftigen Kartografien und Hildebrandts monolithischen Bildtafeln eiskalt wie der Lichtstrahl aus einem schwarzen Kristall, dann mündet der Wettkampf der Kräfte von Tag und Nacht in den hellen Glanz einer aufs Raffinierteste romantischen Konzeptkunst.

Voigts Tinten- und Bleistiftzeichnungen, allen voran das titelgebende „Nächtliche Konzert“ von 2011, komprimieren sensorische Impulse - von Geräuschen bis zu Bewegungen im Raum - zu grafischen Fantasiepartituren, reich an eigenwilligen Symbolen und einer neuen Lust an illustrativen Elementen. Ihre Schwingungen finden den passenden Verstärker in Hildebrandts magnetischer Bildnerei. Mehrere Meter hohe Mauern aus Schallplattensäulen lenken den Blick auf sich. Beim Vorbeigehen glaubt man fast, das Knarren von Sargdeckeln zu vernehmen. Eine einsame Harfe funkt lautlos ins abhanden gekommene Parkett. Eine Skulptur aus gestapelten Objekten, die entfernt an futuristische Urnen erinnern, entpuppt sich als eine Sammlung geschmolzener DVDs. Die Zukunft ist hier bereits Vergangenheit, das Filmarchiv eine Einladung zur melancholischen Innenschau. Für diese absonderlich schöne Raum-Ton-Zeit-Installation sollte der Empfänger lange on bleiben.

Museum van Bommel van Dam, Venlo, bis 15. April 2012. Am 15. April um 14 Uhr findet mit Voigt und Hildebrandt im Museum ein Künstlergespräch statt