In New York beweist Urs Fischer seine Kraft. Und das ohne große Knalleffekte

Riesige Löcher in Museumswänden, ein Krater bei Gavin Brown, die hyperrealistische Tapezierung einer Gruppenausstellung bei Tony Shafrazi: All das zeugt von dramatischer Destruktivität. Die Erwartungen waren daher hochgeschraubt, als sich herumsprach, Urs Fischer werde mit seiner Werkschau „Marguerite de Ponty“ das ganze New Yorker New Museum füllen. Und tatsächlich mühte sich der Schweizer, die Hoffnungen zu übertreffen. Er hat Decken abgesenkt, Türen verschlossen, kalte, fast seelenlose Säle geschaffen. Kurator Massimiliano Gioni gestand: „Ein paar Mal habe ich überlegt, ihn umzubringen.“
Wer auf Knalleffekte aus ist, sei indes gewarnt: Alle drei Etagen sind voller dinglicher Intelligenz, entziehen sich aber jeder Festlegung. Und manches ging auch daneben. Am schwächsten erweist sich Fischer bei seinen kleinen Einzelskulpturen, am stärk­sten dort, wo er Räume in seine Gewalt bringt oder auf andere Exponate reagiert. Hätte er ein bombastisches Statement abgegeben, sagen wir, den zweiten und dritten Stock herausgerissen, wäre ihm ein Aufschrei sicher gewesen. Zum Glück ging er den schwierigeren Weg und brachte verschiedene Ideen zusammen. In der vierten Etage erkundet er die Qualitäten der Fülle, in der dritten die der Leere, in der zweiten die Mischung aus beiden.

In Stockwerk vier befinden sich die Besucher inmitten eines bizarren Panoptikums, fünf amorph zerfließende Ektoplasmen verwandeln sie in Zwerge. De Kooning, Rodin und Lynda Benglis treffen hier auf Frankenstein, auf Warhols fliegende Silberkissen und die Monsterbrut in „Alien“.
Fischers Kunst der Übertreibung, der Optik, des Spiels vereint sich zu einer verblüffenden Installation in der zweiten Etage, die 51 Chromquader zu einem unregelmäßigen Raster arrangiert – Warhols „Brillo“-Schachteln, ausgelegt nach Art der minimalistischen Tafeln von John McCracken. Jeder Quader zeigt das Foto eines Alltagsgegenstands von fünf Seiten (Napfkuchen, Feuerzeug, Schuhe, Andenken), doch die Fotos setzen sich aus Tausenden Einzelbildern zusammen. Man kommt sich vor wie in einer Stadt aus schockgefrosteten Objekten. Und sucht man in dieser Nekropole nach dem Gespenst in der Maschine, stößt man auf die Maschine in den Gespenstern: den Wesenskern, der die wirklichen Dinge aussehen lässt wie Hülsen ihrer selbst.

Das Herz der Ausstellung, die dritte Etage, stellt einen Rückgriff auf die Idee bei Shafrazi dar. Im Wesentlichen handelt es sich um eine begehbare Fotografie des Raums selbst. Fischer hat jeden Winkel der Galerie aufgenommen und sie dann mit ihrer gedruckten Reproduktion tapeziert. So wirkt es, als sei man von einer fremden Architektur umhüllt. Fast scheint Fischer dieses Erlebnis durch die alberne Skulptur eines schmelzenden Klaviers zu zerstören, aber dann wird die verfremdete Räumlichkeit durch ein Detail zum Leben erweckt: Ein künstlicher Schmetterling landet auf einem Croissant, das von der Decke hängt – der geheime Mittelpunkt der gesamten Schau.

So gelingt es Urs Fischer schließlich erneut, Gegenstände am Rand des Auseinanderfallens und der psychischen Transformation festzuhalten. Sein Gespür für Chaos und Fleischlichkeit macht ihn zu einem der bildkräftigsten Künstler, die wir haben.

New Museum, New York, bis 7. Februar