Thomas Weski über die Kunst des Ausstellens

"Ich will Haltungen präsentieren"

Herr Weski, es scheint beim Kuratieren zwei grundsätzlich verschiedene Typen zu geben: den Macher und den Ermöglicher. Harald Szeemann etwa sah seine Aufgabe darin, dass die Ausstellung selbst zum Kunstwerk wird. Daniel Birnbaum hingegen meint, der Kurator werde unsichtbar, wenn die Ausstellung gut sei. Was ist für Sie ein guter Kurator?
Dass man als Kurator unsichtbar wird, finde ich sehr sympathisch. Ich glaube auch, dass Großausstellungen, die eine zu deutliche kuratorische Handschrift tragen, sich überlebt haben. Da wird mit einer bestimmten Vorstellung vom Starkuratoren gearbeitet, was ich vom Marketing her verstehen kann, aber ich glaube, den Kunstwerken und Ausstellungen tut es weniger gut. Der Kurator hat letztlich eine dienende Funktion. Es geht darum, in Kooperation mit dem Künstler möglichst ideale Bedingungen dafür zu schaffen, dass sein Werk zur Entfaltung kommt.
 
Und das tut es unter einem Starkurator nicht?
Anscheinend. Und richtig fatal ist es, wenn das Kunstwerk die These des Kurators illustrieren muss. Natürlich ist es die Aufgabe, Themen zu setzen, bestimmte Positionen zusammenzuführen, um einen Mehrwert der einzelnen Kunstwerke zu erzielen. Aber für mich ist es wichtiger, statt einer These eine Haltung zu präsentieren. Das Kuratieren ist natürlich stets ein subjektiver Zugriff auf ein bestimmtes Material, aber im Idealfall wäre es eben so arrangiert, dass sich diese künstlerische Haltung scheinbar aus sich selbst heraus erklärt.
 
Werden Sie das auch Ihren Studenten beibringen?
Unser Studiengang, den ich ja gemeinsam mit Beatrice von Bismarck und Jörn Schafaff betreue, hat einen sehr viel breiteren Ansatz. In anderen Ländern gibt es seit vielen Jahren die Tradition, sich mit dem Kuratieren auch theoretisch auseinanderzusetzen. Deutschland steht da am Anfang, und wir wollen nun das Kuratorische zum Wissensgebiet machen. Unser Studiengang geht auf eine Initiative des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes zurück, der diese Stiftungsprofessur ermöglicht. Das ist jetzt wirklich ein Luxus für uns, diese Reise antreten zu können, ohne dass wir schon genau wissen, was am Ende stehen wird.
 
Aber was will Ihr Studiengang?
Zunächst einmal wissenschaftliche Grundlagen in diesem Bereich schaffen und vermitteln. Ein Beispiel: Der Begriff „Kurator“ ist ja recht vage – es gibt Intendanten, Kustoden, Ausstellungsmacher. Als ich angefangen habe, war ein Kurator jemand, der Kunstgeschichte studiert hat und dann über einen Sammlungsbestand verfügte. Da war es überhaupt noch nicht üblich, mal über den Tellerrand zu schauen. Ich denke, heute gibt es größere Herausforderungen an einen Kurator als diesen Monolog, und wir versuchen, diesen Anforderungen gerecht zu werden.
 
Welche Anforderungen sind das?
Nun, es geht natürlich auch um das Arbeiten mit einem transdisziplinären Ansatz in einer zunehmend globalisierten Gesellschaft. Allgemein geht es darum, die Bedingungen, unter denen man heute kuratiert, kennenzulernen und konkret Möglichkeiten auszuloten. Unser Studiengang ist anwendungsorientiert und in eine Kooperation mit den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden eingebunden, das heißt, nach einem Jahr kuratieren die Studenten in Teamarbeit, danach macht jeder mit eigenen Projekten weiter. Auf der anderen Seite legen wir Wert darauf, den Studenten theoretisches Wissen zu vermitteln, auch daran mangelt es bisher in diesem Bereich. Wenn Sie an Kuratoren wie Kasper König oder Chris Dercon denken – das sind ja hochrenommierte Leute, aber es gibt so gut wie keine wissenschaftlichen Texte über die Hintergründe ihrer Ausstellungen.


Hans-Ulrich Obrist hat das so formuliert: dass es neben einer Kunstgeschichte auch eine Geschichte des Kuratierens geben sollte.
Da stimme ich überein. In der Fotografie gibt es dafür ein schönes, wenig bekanntes Beispiel: Walker Evans hat sich 1938 am Abend vor seiner MoMA-Ausstellung im Museum einschließen lassen. Der Kurator wusste davon, durfte aber nicht dazukommen. Evans hat dann seine Fotografien bearbeitet, auf Pappen aufgeklebt, mit Scheren beschnitten, sie auf verschiedene Arten installiert, und am nächsten Morgen war die Ausstellung fertig. Heute ist das selbstverständlich, aber damals war diese Form der Verantwortung eines Künstlers im Bereich Fotografie neu, und wir können daraus lernen. Denn wie Künstler ihre Ausstellungen gestalten, ist ein relevanter Faktor für unseren Studiengang – haben sie doch die wesentlichen Veränderungen herbeigeführt.
 
Sie haben selbst viel beachtete Ausstellungen im Ausland kuratiert, etwa die Gruppenausstellung „Cruel & Tender“ an der Tate Modern oder die William-Eggleston-Retrospektive am Whitney Museum. Auch in Ihrem Studiengang soll das „kuratorische Handeln in einem globalisierten kulturellen Feld“ gelehrt werden. Gibt es länderspezifische Unterschiede beim Kuratieren?
Es gibt noch immer nationale Unterschiede, und es wäre auch schade, wenn es die nicht mehr gäbe. Als wir jüngst die Andreas-Gursky-Schau vom Haus der Kunst in München aus um die Welt geschickt haben, habe ich das wieder gemerkt. Ich war immer daran interessiert, wie das Werk in unterschiedlichen Kulturen rezipiert wird. Aber dann habe ich eine Grenze der Sprachlosigkeit bemerkt, die jenseits des Eröffnungsabends eigentlich kein Gespräch mehr zuließ. Um genau das zu ermöglichen, arbeiten wir jetzt in Leipzig mit vielen ausländischen Gesprächspartnern, damit es zu einem nachhaltigen Austausch kommt. Es geht einem als Kurator ja nicht nur darum, ein Produkt abzuliefern, sondern darum, Prozesse zu initiieren und Gegensätzliches zusammenzubringen. Wir wollen diese Abläufe untersuchen, erfahrbar machen und theoretisch begleiten – von der Produktion bis zur Rezeption.
 
Informationen zum Studiengang unter: www.kdk-leipzig.de