Stephen G. Rhodes in Zürich

Im Zeichen der Schlange

„Der Maskentanz ist getanzte Kausalität“, sagte der Kulturwissenschaftler Aby Warburg in seinem 1923 gehaltenen Vortrag über das Verhältnis der Hopi zu ihren Riten. 28 Jahre zuvor war er anlässlich einer Familienfeier in die USA gereist und von dort in das verbliebene Siedlungsgebiet der „Pueblo-Indianer“ weitergezogen. Er wollte die seines Erachtens auf einer Entwicklungsstufe nach dem „primitiven Greifmenschen“, aber noch vor dem „technologisch beruhigten Europäer“ stehenden Hopi bei der Weltaneignung beobachten.

„Sie sind in der Mitte zwischen Magie und Logos, und ihr Instrument, mit dem sie sich zurechtfinden, ist das Symbol.“ Besonders eines interessiert Warburg, die in allen Kulturen umtriebige Schlange. „Sie ist eben ein internationales Antwortsymbol auf die Frage: Woher kommt elementare Zerstörung, Tod und Leid?“

Ein deutscher Intellektueller, der 1895 eine Zivilisation besucht, deren Kultur zum Zeitpunkt des Referats so gut wie ausgelöscht ist, der sich selbst 1923 in der Nervenheilanstalt befindet und den Vortrag auch als Therapie versteht: Hier treffen Traumata aufeinander.

Der Knacks ist das bevorzugte Sujet des 1977 in Houston geborenen Künstlers Stephen G. Rhodes. In seinen multimedialen Installationen versucht er weniger, ein Antwortsymbol zu finden, vielmehr inszeniert er seine „assoziativen Abschweifungen“ als Suche nach dem Verborgenen und Verdrängten.

In „The Law of the Unknown Neighbor“ im Migros Museum in Zürich wird er, ausgehend von Warburgs Stationen in den USA sowie Kreuzlingen und der 1933 vor den Nazis nach London geretteten kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburgs, ein nicht lineares Geschichtsbild entwerfen.

In Räumen, die an Krankenhäuser und Bibliotheken erinnern, treffen Projektionen von Reptilien auf Bücherwände, die in Konkurrenz zu verstörenden Videos keine erkennbare Kausalität erzeugen oder gar tanzen. Die Ausstellung endet auf den Tag genau – Zufall oder Absicht? – 90 Jahre, nachdem Warburg seine Rede über das „Schlangenritual“ gehalten hat. 

„The Law of the Unknown Neighbor: Inferno Romanticized“, Migros Museum für Gegenwartskunst, Zürich, 9. Februar bis 21. April, Eröffnung: Freitag, 8. Februar