Tipps und Termine

Wohin am Wochenende?

Die Kunst der Woche in Berlin, Düsseldorf, Flensburg, München, Wiesbaden und Wolfsburg

 

Coronabedingt können bestimmte Ticket-, Hygiene- und Abstandsregelungen gelten. Ab dem 2. November treten neue Corona-Regelungen in Kraft, die weitere Auswirkungen auf den Kulturbetrieb haben werden. Vor dem Ausstellungsbesuch empfiehlt sich deshalb ein Blick auf die jeweilige Website der Institutionen.

 

Die Inspirationsquellen von Gerhard Richter in Berlin

Der Maler Gerhard Richter gilt international seit Jahrzehnten als einer der wichtigsten - und teuersten - Künstler. Was inspiriert eine solche Ausnahmegestalt zu den so begehrten künstlerischen Arbeiten? Eine Ausstellung in Berlin gibt nun einen kleinen Einblick in die Gedankenwelt des Malers. "Gerhard Richter. Atlas-Übersicht 1:2" ist bis zum 3. Januar im Atelier Liebermann neben dem Brandenburger Tor zu sehen.

Gezeigt werden mehr als 8000 teils sehr kleinformatige Bildmotive, die Richter nach einem Ordnersystem als Inspirationsquelle und Materialsammlung angelegt hat. Die Veranstalter sprechen von einem Schlüsselwerk für das Verständnis von Richters Arbeiten.

Der heute 88 Jahre alte Richter bewahrte die gesammelten Materialien zunächst in Mappen und Schubladen auf. Erst später begann er, die möglichen Bildvorlagen zu sichten. Was etwa für seine Gemälde wichtig war, wurde zu thematisch orientierten Tafeln zusammengestellt und aufgeklebt. Neben zahlreichen Fotos verwendete Richter dabei auch etwa Zeitungsausschnitte, aber auch kleine Zeichnungen oder Miniaturen von Entwürfen. Die Ausstellung zeigt die thematische Bandbreite von Familienaufnahmen über Landschaftsdarstellungen, Naturabbildungen, Architektur, Porträts oder Stillleben.

Zwischen vielen unbekannt erscheinenden Motiven sind immer wieder Vorlagen zu entdecken, die Richter für eine seiner bekannten Arbeiten verwendete. So befassen sich Teile des Atlas mit Darstellungen rund um die in der terroristischen RAF aufgegangene Bader-Meinhof-Gruppe, die Richter zu einer Serie von Schwarz-Weiß-Bildern inspirierten. Bei den Familienbildern ist die Vorlage für «Betty» zu finden, das berühmte Porträt von Richters sich von den Betrachtenden abwendender Tochter. Auch Vorarbeiten zu «Schwarz Rot Gold», eine 21 Meter hohe Arbeit in der Westeingangshalle des Reichstagsgebäudes, zeigt die Ausstellung. (dpa)

"Gerhard Richter. Atlas-Übersicht 1:2", Atelier Liebermann, Berlin, bis 3. Januar 2021

 

Friedrichswerdersche Kirche mit "Ideal und Form" wieder Museum

Mit der Sonderausstellung "Ideal und Form - Skulpturen des 19. Jahrhunderts aus der Sammlung der Nationalgalerie" reiht sich die Friedrichswerdersche Kirche wieder in den Reigen der Berliner Staatlichen Museen ein. Der Sakralbau mit dem original erhaltenen Kircheninnenraum des preußischen Baumeisters und Architekten Karl Friedrich Schinkel (1781-1841) dient in den kommenden Jahren wieder als Außenstelle der Alten Nationalgalerie auf der benachbarten Museumsinsel.

Von den etwa 2100 Skulpturen im Bestand des Museums werden nun 50 in dem lichtdurchfluteten Kirchenschiff präsentiert. Die Stücke aus Bronze, Gips, Marmor oder Terrakotta reichen zeitlich von Schinkel bis zum Kaiserreich.

Kuratorin Yvette Deseyve nutzt dabei den großzügigen Raum auch für interessante Gegenüberstellungen. So zeigen zwei Gruppen von Adolf Brütt (1855-1939) und Reinhold Begas (1831-1911) zwei sehr unterschiedliche Ansätze bei der Darstellung von Eva mit ihren Kindern Kain und Abel. Während Begas mit Gesichtsausdruck und Körperhaltung das Böse in Kain schon angelegt zu sehen scheint, sind beide Kinder bei Brütt nur durch kaum sichtbare Größenunterschiede erkennbar.

Mit der Sonderausstellung wird die Friedrichswerdersche Kirche nach acht Jahren Schließzeit mit umfassenden Sanierungsarbeiten wieder für die Öffentlichkeit zugänglich.

Die Friedrichswerdersche Kirche wurde von Schinkel zwischen 1824 bis 1830 zeitgleich mit seinem Alten Museum auf der Museumsinsel gebaut. Nach schweren Schäden im Zweiten Weltkrieg musste die Kirche 1979 bis 1986 bereits umfangreich saniert werden. Durch Bauten in der Nachbarschaft wurden nach der Wende so gravierende Schäden verursacht, dass das unter Denkmalschutz stehende Kirchengebäude seit 2012 erneut restauriert werden musste. (dpa)

"Ideal und Form. Skulpturen des 19. Jahrhunderts aus der Sammlung der Nationalgalerie", Friedrichswerdersche Kirche, Berlin, bis auf Weiteres

Skulpturen in der Ausstellung "Ideal und Form" in der Friedrichswerderschen Kirche in Berlin-Mitte. Mit der Sonderausstellung wird die Kirche nach acht Jahren Schließzeit mit umfassenden Sanierungsarbeiten wieder für die Öffentlichkeit zugänglich.
Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Skulpturen in der Ausstellung "Ideal und Form" in der Friedrichswerderschen Kirche in Berlin-Mitte. Mit der Sonderausstellung wird die Kirche nach acht Jahren Schließzeit mit umfassenden Sanierungsarbeiten wieder für die Öffentlichkeit zugänglich.

 

Kunst in Zeiten des Zorns in Düsseldorf

Relikte des Nationalsozialismus aus privatem Besitz können in einem Abfallcontainer vor dem Düsseldorfer Museum Kunstpalast in den kommenden Wochen entsorgt werden. Die Kunstaktion des Japaners Yoshinori Niwa ist Teil der Ausstellung "Empört Euch! Kunst in Zeiten des Zorns", die bis zum 10. Januar im Kunstpalast zu sehen ist. Für seine Aktion ruft Yoshinori dazu auf, etwa Kleidungsstücke, Orden, Fotos, Bücher und andere Relikte der Nazizeit mitzubringen. Diese würden in dem Container vor dem Museumseingang gesammelt und am Ende der Ausstellung vollständig vernichtet. Den schwarzen Altkleider-Container hatte der Künstler Yoshinori schon in Wien und in Graz aufgestellt.

Die Entsorgung von Hitler-Müll ist eine der spektakulärsten Aktionen der Ausstellung mit Arbeiten von 36 internationalen Künstlern und Kollektiven. In Fotografien, Videos, Gemälden, Skulpturen und Installationen spürt die Schau dem gesellschaftskritischen Wut-Potenzial in der aktuellen Kunst nach. Die Künstler klagen mit ihren Werken soziale Ungerechtigkeiten an, stellen Verschwörungstheorien infrage oder rufen zum Widerstand auf.

"Mit der Ausstellung geben wir kritischer Gegenwartskunst, die sich mit teils brisanten Werken den gesellschaftlichen Verwerfungen unserer Zeit stellt, einen öffentlichen Raum", teilte Kunstpalast-Direktor Felix Krämer mit. Durch die Corona-Pandemie sei die Aktualität einiger Themen noch einmal verschärft worden, andere Konflikte seien aber verdrängt worden. Der Titel der Ausstellung lehnt sich an die berühmte Protestschrift "Empört Euch!" des früheren französischen Widerstandskämpfers Stéphane Hessel an, der 2013 starb.

Mit dem überdimensionalen Foto "Bosnian Girl" an einer zwölf Meter hohen Wand erinnert die bosnische Künstlerin Šejla Kamerić etwa an den Völkermord von Srebrenica 1995. Der französische Künstler Kader Attia führte für eine Videoarbeit Interviews mit vier Nachkommen von Kolonisierten oder Sklaven. Die Südafrikanerin Zanele Muholi porträtierte in ihrer Heimat unter anderem lesbische Frauen und Transgender, die in Südafrika oft Anfeindungen ausgesetzt sind. (dpa)

"Empört Euch! Kunst in Zeiten des Zorns", Museum Kunstpalast, Düsseldorf, bis 10. Januar 2021

Das Kunstwerk "steirischerherbst'18" aus dem Jahr 2018 des Japaners Yoshinori Niwa steht vor dem Museum Kunstpalast. In diesem Abfallcontainer können Relikte des Nationalsozialismus aus privatem Besitz entsorgt werden
Foto: dpa

Das Kunstwerk "steirischerherbst'18" aus dem Jahr 2018 des Japaners Yoshinori Niwa steht vor dem Museum Kunstpalast. In diesem Abfallcontainer können Relikte des Nationalsozialismus aus privatem Besitz entsorgt werden

 

"WinterWerft" in Flensburg

Im Sommer holte die Robbe & Berking Werft Kunstschaffende nach Flensburg, um ein Zeichen in der Corona-Pandemie zu setzen. Corona ist noch nicht vorbei - und eine neue Schau entstanden.

Die Flensburger Robbe & Berking Werft wird mit der "WinterWerft" erneut zahlreiche Künstler und ihre Arbeiten an die Fördestadt holen. Bis zum 23. Dezember präsentieren 34 teilnehmende Künstlerinnen und Künstler aus dem gesamten norddeutschen Raum sowie aus Hessen, Baden–Württemberg und Rheinland Pfalz ihre Arbeiten im Robbe & Berking Werftmuseum, wie die Werft mitteilte, die sich auf den Bau klassischer Holzjachten spezialisiert hat. Gewidmet seien die "WinterWerften" den beiden Lieblingswerkstoffen von Robbe & Berking: Holz und Silber.

Nach dem Erfolg der Schau "Kunst schaffen" im Sommer seien zahlreiche Anfragen von Künstlern aus ganz Deutschland eingegangen, die an einem zweiten "Kunst schaffen" im Mai 2021 teilnehmen wollen, teilte die Werft weiter mit. "Viele von ihnen sehnen sich gerade in Corona-Zeiten aber auch nach einer Schau in Flensburg noch vor Weihnachten." So sei das neue Ausstellungskonzept "WinterWerft" entstanden. (dpa)

"WinterWerft", Robbe & Berkings Werftmuseum, Flensburg, bis 23. Dezember

 

Kunst-Kino in München

Das Werwolf-Dasein an sich ist wohl eher unschön. Die New Yorker Künstlerin Sue de Beer erzählt in ihrem Kurzspielfilm "The White Wolf" eine Horrorstory von Monstern und Klinikpatienten, die als Europapremiere auf dem Festival "Kino der Kunst" gezeigt wird. "Verbotene Schönheit" lautet das Motto der vierten Ausgabe, denn wirklich schön ist nicht etwa das Kitschige, sondern das formal Gelungene. Rund 45 Filme von bildenden Künstlerinnen und Künstlern aus fast 30 Ländern sind in Münchener Kinos zu sehen, dazu finden Artists' Talks in Kooperation mit dem Museum Brandhorst statt, die aufgrund der Corona-Lage zusammen mit einem Symposium zur Zukunft der "Kunst des Bewegtbildes" auch online abgerufen werden können. Schönheit und brisante Themen schließen sich angeblich aus.

"Kino der Kunst" wagt den Gegenbeweis, indem es den Fokus auf Filme mit politischer Relevanz setzt. So lässt Halil Altındere in "Ballerinas and Police" Schönheit gegen schwerbewaffnete Polizisten antanzen, Isaac Julien setzt sich in "Lessons of the Hour" mit Sklaverei und Rassismus auseinander. Mika Rottenberg oder Cao Fei denunzieren spielerisch den Konflikt zwischen kultureller Tradition, sterilem Design und futuristischen Technologie-Anlagen. Weltpremieren wie Clare Langans "Heart of a Tree" oder "The Boat People" des Vietnamesen Tuan Andrew Nguyen kommen ohne die Auseinandersetzung mit aktuellen Problemen aus. Was echte Schönheit natürlich nicht ausschließt.

"Kino der Kunst", München, bis 1. November

 

Expressionist Macke in Wiesbaden

Das Museum Wiesbaden ehrt den Maler August Macke mit einer Jubiläumsausstellung. Bis Mitte Februar sollen unter dem Titel "Paradies! Paradies?" Werke aus allen Schaffensphasen des Bonner Expressionisten präsentiert werden. Macke (1887–1914) gilt als einer der bedeutendsten deutschen Expressionisten am Beginn des 20. Jahrhunderts. Er gehörte zur 1911 in München gegründeten Künstlergruppe "Der Blaue Reiter" um Wassily Kandinsky und Franz Marc.

"Zwischen Krieg und der Sehnsucht nach einer idyllischen Welt - die Arbeiten des Malers August Macke erzählen von Reisen in ferne Länder, dem Zauber des Alltags und einer vermeintlich heilen Welt", teilte das Museum mit. Macke starb im Alter von nur 27 Jahren im Ersten Weltkrieg. Seine Frau Elisabeth habe aus dem Nachlass eine "August Macke Gedächtnis-Ausstellung" organisiert, die im Herbst 1920 auch im Museum Wiesbaden gastierte. Die neue Schau soll an diese Retrospektive vor 100 Jahren erinnern.

"Wie kaum ein anderer Künstler seiner Zeit verstand es August Macke in seinen lichtdurchfluteten optimistischen Bildern, kurz noch einmal das irdische Paradies wie in einem flüchtigen Schnappschuss festzuhalten, bevor es mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs in Frage gestellt war", erläuterte der Kurator von "Paradies! Paradies?", Roman Zieglgänsberger. Gezeigt werden unter anderem Gemälde, Zeichnungen, Skulpturen und Aquarelle. (dpa)

"Paradies! Paradies?", Museum Wiesbaden, bis 14. Februar 2021

 

Kunst "in aller Munde" in Wolfsburg

Munch, Picasso, Warhol und Abramović - mit großen Namen will das Kunstmuseum Wolfsburg buchstäblich in aller Munde sein. An der Eröffnung der Ausstellung "In aller Munde. Von Pieter Bruegel bis Cindy Sherman" an diesem Wochenende soll festgehalten werden. Inwieweit die neuen Corona-Einschränkungen Einfluss auf das geplante Programm haben, bleibt zunächst noch unklar.

In der Vorbereitung hätten die Ausstellungsmacher sicher nicht geahnt, wie sehr der Mundraum ins Zentrum gesellschaftlicher, politischer und medialer Debatten rückt, teilte das Kunsthaus mit. Er erlebe als "Schauplatz des hochinfektiösen Desasters" gegenwärtig weltweit größte Aufmerksamkeit. Was für die Ausstellung mit mehr als 250 Kunstwerken und Objekten von der Antike bis zur Gegenwart aber Unsicherheit bedeutet.

Für Gemälde, Skulpturen, Installationen und Videos ist die Ausstellungshalle in einer eigens konzipierten Architektur aufgebaut, die einen abstrahierten Mundraum darstellt. Zusehen sind etwa Picassos Le basier (Der Kuss) oder Munchs Vampir. Zudem hat der Künstler Benjamin Houlihan mit seiner Zunge ein Kunstwerk gemalt. Eine Mischung aus Quark und Lebensmittelfarbe hat er dafür an eine etwa 30 Quadratmeter große Leinwand geleckt und die Spuren der Zungenschläge "Untitled (Licked Wall)" genannt. (dpa)

"In aller Munde. Von Pieter Bruegel bis Cindy Sherman", Kunstmuseum Wolfsburg, 31. Oktober bis 5. April 2021

Fotografie Nahaufnahme Mund mit herausgestreckter Zunge und Piercings
Foto: © Marilyn Minter, Courtesy die Künstlerin und Salon 94, New York

Marilyn Minter "Gimmie", 2008