Tipps und Termine

Wohin am Wochenende?

Die Kunst der Woche in Amsterdam, Düsseldorf, Güstrow, Hamburg, Heidelberg, Lübeck, Mannheim, Marburg, New York, Paris, Pforzheim, Rostock und Stuttgart

Coronabedingt können bestimmte Ticket-, Hygiene- und Abstandsregelungen gelten. In einigen Bundesländern gelten inzwischen 2G-Regeln in Museen. Vor dem Ausstellungsbesuch empfiehlt sich deshalb ein Blick auf die jeweilige Institutions-Website


Textilkunst in Amsterdam

Geschichten verknüpfen, den Faden aufnehmen oder verlieren, der rote Faden als Metapher für die Lebensgeschichte: Die Sagen und Mythen vieler Kulturen betonen den Zusammenhang zwischen Weben und Erzählen. Dass die Textilkunst seit einigen Jahren eine neue Welle der Aufmerksamkeit erfährt, dürfte dabei auch damit zu tun haben, dass der Faden im Bild ein Symbol ist für Verbindung, Verstricktes, Vernetzung – zentrale Topoi der digitalen, globalisierten Welt.

Mit der Ausstellung "Let textiles talk" webt die neue Kuratorin für Design am Stedelijk Museum, Amanda Pinatih, eine wunderbar verstrickte Geschichte. Ausgangspunkt sind sechs ägyptische Tapisserien, die der legendäre Direktor des Hauses Willem Sandberg einst ankaufte und die bislang die meiste Zeit im Depot schlummerten. Der genaue Grund für den Ankauf ist nicht überliefert, aber westliche Institutionen sammelten die Kunst von außerhalb Europas und Nordamerikas traditionell als etwas "Naives" und "Primitives". Bei ihren Recherchen stieß Pinatih auf eine weitere Episode: 1951 begannen der ägyptische Architekt und Pädagoge Ramses Wissa Wassef und seine Frau Sophie Habib Georgi ein Experiment, das die Aufmerksamkeit prominenter Persönlichkeiten auf sich zog, darunter Sandberg, die Künstlerin Etel Adnan und der Philosoph Jean-Paul Sartre: Wassef wollte beweisen, dass Kreativität angeboren ist, und brachte daher Kindern das Weben bei.

"Let textiles talk" kombiniert die Tapisserien zudem mit Werken von zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern wie Etel Adnan, Karel Appel, Dorothy Akpene Amenuke, Sheila Hicks und Jean Lurçat – und verstrickt so die Sammlungsgeschichte mit einer globalen Geschichte der Textilkunst. Einen roten Faden dürfte diese Ausstellung nicht haben, vielmehr erzählt sie eine Geschichte aus den unterschiedlichsten Perspektiven und mit vielen Anknüpfungspunkten

"Let Textiles Talk", Stedelijk Museum Amsterdam, 13. November bis 20. März 2022


Piratenlieder in Düsseldorf

Mit dem spannenden Thema Piraterie setzt sich der Künstler Saâdane Afif in seinem seit 2000 fortlaufenden Projekt "The Pirates’ Who’s Who" auseinander. Am Samstag performt die experimentelle Musikband Dwarf Lift Dwarf im Kai 10 | Arthena Foundation in Düsseldorf zugehörige Texte, die Afif von befreundeten Künstlern hat schreiben lassen. Das Konzert findet im Rahmen der internationalen Gruppenaustellung "Pictured as a Poem" statt, welche den Einsatz lyrischer Sprache in der zeitgenössischen Kunst beleuchtet.

"The Pirates’ Who’s Who", Kai 10 | Arthena Foundation, Düsseldorf, 13. November


Ernst Barlachs Atelierhaus in Güstrow

Rund 90 Jahre nach dem Bau eines repräsentativen Atelierhauses für den Künstler Ernst Barlach (1870-1938) widmet sich eine Sonderausstellung dem Baudenkmal. Die in den Ernst Barlach Museen Güstrow installierte Ausstellung "90 Jahre Atelierhaus" zeigt die wechselvolle Geschichte des Gebäudes am Ufer des Inselsees. Die umfangreiche Schau spürt anhand von Zeitdokumenten dem Zusammenspiel von Raum und Funktion nach und gewährt Einblick in das Lebensumfeld Ernst Barlachs.

Barlach hat sich das Atelierhaus 1931 auf dem Zenit seines künstlerischen Erfolgs bauen lassen. "Erhaltene Entwurfsskizzen dokumentieren eindrucksvoll die Passion, mit der Barlach die idealen Lichtverhältnisse in seinen Atelierräumen sicherstellen wollte", erklärt Magdalena Schulz-Ohm, die Kuratorin und Geschäftsführerin der Ernst Barlach Stiftung.

Seit 1978 ist das Gebäude für die Öffentlichkeit dauerhaft zugänglich. Derzeit laufen Sanierungsarbeiten, weshalb die Dauerausstellung zu Leben und Werk Ernst Barlachs im Atelierhaus bis zum kommenden Frühjahr geschlossen bleibt. In der Sonntag eröffneten Sonderausstellung werden auch Entwürfe für die Neugestaltung gezeigt. (dpa)

"90 Jahre Atelierhaus", Ernst Barlach Museen, Güstrow, bis 20. Februar 2022


"Affordable Art Fair" in Hamburg

Nach einem Jahr Corona-Zwangspause öffnet die Kunstmesse Affordable Art Fair bis zum 14. November wieder in Hamburg ihre Türen. Auf knapp 9000 Quadratmetern präsentieren 70 Galerien aus 14 Ländern in der Halle A3 der Hamburg Messe mehr als 3000 Kunstwerke von etablierten Künstlerinnen und Künstlern und Newcomern der Kunstszene. Seit 2012 bietet die Affordable Art Fair Kunstwerke zu erschwinglichen Preisen zwischen 100 bis 7500 Euro und will damit sowohl Kunstneulinge als auch renommierte Sammler ansprechen.

"Während der Corona-Krise wurde der Online-Marktplatz der Affordable Art Fair mit über 25 000 Kunstwerken deutlich ausgebaut, der Online-Umsatz steigerte sich 2020 um 170 Prozent, bis September 2021 um weitere 30 Prozent", sagt Direktor Oliver Lähndorf. Daher werde die Messe ihr digitales Angebot weiter ausbauen. Außerdem werden in diesem Jahr erstmals auf der Messe sogenannte Kunst-NFTs (non-fungible token) präsentiert - digitale Kunstwerke mit Echtheitszertifikat - und Augmented-Reality-Kunsterlebnisse, bei der die Realität durch einen Computer erweitert wird. (dpa)

"Affordable Art Fair", Hamburg Messe, bis 14. November

Kunstmesse "Affordable Art Fair", Hamburg
Foto: Marcus Brandt/dpa

Kunstmesse "Affordable Art Fair", Hamburg


Urbane Welten in Heidelberg

Die Dystopie ist längst da. Loretta Fahrenholz hat 2013 für "Ditch Plains" die Verwüstungen filmisch dokumentiert, die der Hurrikan "Sandy" in New York hinterließ; gleichzeitig improvisieren Tänzer im urbanen Katastrophengebiet. Vergleichbar mit Fiktion arbeitet die Filmemacherin Nina E. Schönefeld, wenn sie in einem luftverschmutzten Berlin eine an Extinction Rebellion erinnernde Gruppe agitieren lässt – mit Anleihen an Katastrophenfilme und Computerspiele. Die Gruppenschau "Facing New Challenges: Cities" im Heidelberger Kunstverein flankiert das Internationale Filmfestival Mannheim-Heidelberg, wobei die Laufzeit über die der 70. Festivalausgabe weit hinausreicht.

Im Ausstellungsfokus stehen Städte, die hier vor allem als Seismografen des gesellschaftlichen Lebens aufgefasst werden. Wobei nicht nur Metropolen mit hoher Bevölkerungsdichte Schauplätze in den Filminstallationen sind. Die schwedische Künstlerin Johanna Billing drehte ihren Kurzfilm "In Purple" in der Vorortsiedlung, in der sie selbst aufwuchs. Die Suchbewegungen des Films "Aus westlichen Richtungen" von Juliane Henrich führen ebenfalls in die Vorstädte. Henrich bewegt sich auf den Spuren bundesre­publikanischer Nachkriegsgeschichte, wobei sie mehrfach das einst als Bollwerk gegen den Osten gepriesene Einfamilienhaus in den Blick nimmt. Maya Schweizer ging für ihre Filmcollage "Voices and Shells" auf Spurensuche in Sachen Nationalsozialismus in München. Ein virtuelles Leipzig zeigt Clemens von Wedemeyer in "70.001". Durch die Stadt bewegen sich computersimulierte Demonstrationszüge wie zu Wendezeiten, wobei neue politische Ziele neue, unübersichtliche Dynamiken erzeugen. Film zeigt manchmal mehr, als das bloße Auge erkennt.

"Facing New Challenges: Cities", Kunstverein Heidelberg, bis 30. Januar 2022


"Perspektivwechsel" in Lübeck und Rostock

Es waren einmal – zwei Deutschlands. Und zwei Museen, eines im Osten, eines im Westen, die jetzt in einem Gemeinschaftsprojekt zusammenfinden. Die Kunsthalle St. Annen in Lübeck und die Kunsthalle Rostock vermischen ihre Sammlungen und bestreiten damit zwei parallel laufende Ausstellungen. Zu erkennen sind die jeweiligen Sammlungsphilosophien zwischen Kaltem Krieg und Jetztzeit. Das Lübecker Haus setzt den Schwerpunkt auf zeitgenössische Kunst, in Rostock ist mehr Kunst aus der Zeit vor der Wende zu sehen. Auf der Liste stehen Kunstschaffende wie Norbert Bisky, Hede Bühl, Leiko Ikemura, Hanna Jäger, Sabine Moritz, Andreas Mühe, A. R. Penck, Fred Thieler und Werner Tübke.

"Perspektivwechsel", Kunsthalle St. Annen, Lübeck, und Kunsthalle Rostock, bis 23. Januar 2022


Tabus brechen in Mannheim

Auf ein Tabuthema richten die Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen mit der Schau "Gesichtslos – Frauen in der Prostitution" einen Fokus. Zu sehen sind ab kommenden Sonntag Schwarz-Weiß-Fotografien von Prostituierten. Der Fotograf Hyp Yerlikaya begleitete die Frauen zwei Jahre lang mit der Kamera. Es entstanden 1800 Bilder, von denen 40 in Mannheim gezeigt werden. Die Frauen tragen darauf weiße Masken, die den Eindruck sozialer Isolation verstärken, zugleich aber Schutz für die Dargestellten bieten. Viele Frauen leiden besonders darunter, dass sie ihre Tätigkeit und sprichwörtlich ihr Gesicht verbergen müssen.

Die Ausstellung gibt den Frauen auch eine Stimme. Anhand von aufgezeichneten Interviews kommen sie selbst zu Wort und berichten von ihren Erfahrungen, Ängsten, Sorgen, aber auch Träumen und Hoffnungen. Oft haben sie ihre meist osteuropäischen Heimatländer verlassen, um der dortigen Perspektivlosigkeit zu entkommen und in Deutschland eine neue Existenz aufzubauen, heißt es zur Einordnung der Bilder. Doch die meisten landen in prekären Lebens- und Arbeitswelten abseits der Gesellschaft. Die Schau soll einen öffentlichen Diskurs darüber anstoßen. Bei dem Thema gehen die Meinungen stark auseinander. Für die einen gehört die Prostitution verboten. Die anderen warnen vor einem Verbot, weil das Frauen noch mehr in Not bringen könnte.

Die in Zusammenarbeit mit der Beratungsstelle für Prostituierte "Amalie" entstandene Sonderausstellung läuft bis zum 20. Februar 2022. (dpa)

"Gesichtslos – Frauen in der Prostitution", Reiss-Engelhorn-Museen, Mannheim, 14. November bis 20. Februar 2022


Joseph Beuys in Marburg

Zum 100. Geburtstag von Joseph Beuys zeigt das Kunstmuseum Marburg mehr als 80 Arbeiten des weltberühmten Aktionskünstlers. Zu sehen sind bis zum 27. Februar vor allem Zeichnungen aus der Sammlung Ludwig Rinn, die die zentralen Motive und Themen des Frühwerks umfassen.

Mit der Ausstellung "Kompass Beuys" eröffnet das Museum der Philipps-Universität zugleich seinen neuen Raum der Graphischen Sammlung. "Dass wir zur Eröffnung eine Schau mit einer solchen Strahlkraft zeigen können, ist ein absoluter Glücksfall", sagte Museumsdirektor Christoph Otterbeck.

Rinn erwarb bereits 1966 erste Arbeiten von Beuys, den er 1968 persönlich kennenlernte. Der 1921 in Krefeld geborene Beuys gilt weltweit als einer der bedeutendsten Aktionskünstler des 20. Jahrhunderts. Er starb 1986 in Düsseldorf. Zuletzt war im Kunstmuseum Marburg 1978 eine Beuys-Ausstellung zu sehen. (dpa)

"Kompass Beuys. Werke aus der Sammlung Ludwig Rinn", Kunstmuseum Marburg, bis 27. Februar


Gillian Wearing in New York

Sie ist eine Künstlerin, die Spannungen zwischen dem Selbst und der Gesellschaft in einer mediengesättigten Welt auslotet: Gillian Wearing, 1963 im britischen Birmingham geboren, schafft Fotografien, Videos, Skulpturen und Gemälde voller psychologischer Intensität. Nun richtet ihr das New Yorker Guggenheim Museum eine erste Retrospektive in Nordamerika aus. Anhand von über 100 Werken zeichnet die Schau die Entwicklung der Künstlerin von ihren ersten Polaroids bis zu neuen Selbstporträts nach – eine Kunst, die unablässig den performativen Charakter von Identität erforscht.

"Wearing Masks", Guggenheim Museum, New York, bis 4. April 2022


Fotografiemesse in Paris

Nichts weniger als eine Allegorie der Menschheit und ihrer aktuellen Herausforderungen zeigt der senegalesische Fotograf Omar Victor Diop in seiner neuen Serie "Allegoria", die in dieser Woche auf der Paris Photo Debüt feiert. Der 1980 in Dakar geborene Diop, dessen Großvater bereits ein bekannter Porträtist war, hat sich in den letzten Jahren einen Namen in der Modefotografie, aber auch in der Kunst gemacht, sein Talent umfasst nicht nur die Porträtfotografie, sondern auch Kostüm und Ausstattung. In seiner neuen Serie setzt er sich selbst in verschiedenen Kostümen in Szene, umgeben von Tieren und Pflanzen, die von Ausrottung bedroht sind. Diops Präsentation bei der Pariser Galerie Magnin-A ist eine von 17 Soloshows, die zu den Höhepunkten der 24. Ausgabe der Pariser Fotomesse im November gehören. Weitere Solos sind den Polaroids von Cy Twombly (Gagosian) oder auch der klassischen Reportagefotografie des Irakers Latif Al Ani (Isabelle van den Eynde, Dubai) gewidmet.

Auch die anderen Sektionen der Messe mit insgesamt 177 Galerien sind sehr international: Rund ein Drittel stammt aus Frankreich, aber viele Anbieter reisen auch aus afrikanischen Ländern an, aus Asien oder Südamerika. Die Bandbreite reicht von den Klassikern der Fotogeschichte bis zur jungen Kunst, die in der Sektion "Curiosa" ihren eigenen Raum bekommt, sie umspannt konzeptionelle Arbeiten genauso wie Dokumentarfotografie und Mode. Die Kooperation mit der Zeitschrift "Elle" komplettiert das Programm, sie legt den Fokus auf Fotografinnen, die in der Branche immer noch unterrepräsentiert werden.

Wer nicht nach Paris reist, kann sich stattdessen in den neu konzipierten Online Viewing Rooms umfassend informieren – und dort auch direkt investieren.

Paris Photo, Grand Palais Éphémère, Paris, bis 14. November


Immersive Fotokunst in Pforzheim

In dem immersiven und interaktiven Ausstellungskonzept "You Are Here:@///wolken.kuckucks.heim" kombiniert Julian Kirschler die Optik seiner Fotografien mit eigens dafür komponierten 3D-Soundspaces. Dem Besucher, ausgestattet mit Kopfhörern und Soundweste, welche die Akustik spürbar machen, wird so ein völlig neues und intensives Eintauchen in die Ausstellung ermöglicht. Kirschler beschäftigt sich seit 2018 mit der Realisierung des Projekts. Ziel ist es, Fotografie auch spür- und hörbar zu machen. In Pforzheim wird das Ergebnis jetzt erstmals vorgestellt.

"You Are Here:@///wolken.kuckucks.heim", EMMA-Kreativzentrum, Pforzheim, bis 14. November


Die LBBW-Sammlung Kunst Stuttgart

1971 wurde die Kunstsammlung der Landesbank Baden-Württemberg begründet – mit dem Ziel, zeitgenössische Kunst zu fördern und der Belegschaft der Bank das Kunstgeschehen nahezubringen. Zum 50-jährigen Bestehen wird die Sammlung nun im Kunstmuseum Stuttgart umfassend präsentiert. Die Werke ergeben ein zeitgeschichtliches Panorama, das sich vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis in die Jetztzeit erstreckt. Letztere repräsentiert etwa durch Nevin Aladağ, Shannon Bool, Andreas Gursky, Sven Johne, Daniel Knorr oder Anna Witt.

"Jetzt oder nie – 50 Jahre Sammlung LBBW", Kunstmuseum Stuttgart, bis 20. Februar 2022