„Altermodern“: In der Londoner Tate Britain sorgt ein Schlagwort für Diskussionen

Eine Pilzwolke quillt bis an die Decke der Tate Britain. Explodiert dort endgültig der Kunstmarkt? Erst aus der Nähe sind die polierten indischen Küchen- utensilien zu erkennen, aus denen Subodh Gupta seinen Geschirrpilz konstruiert hat. Guptas Riesenskulptur funkelt den Besucher der vierten Tate-Triennale schon aus der Ferne an. Eine Blockbusterarbeit des indischen Stars für eine Schau mit Blockbustertitel: „Altermodern“.
Für diesen selbstbewussten Vorschlag des französischen Kurators Nicolas Bourriaud als neues Schlagwort für die Post-Postmoderne hagelte es Kritik. Warum brauche man ein neues Wort, um zu beschreiben, dass ein Künstler heute in Nairobi arbeitet, New Yorker ist und in Stuttgart seinen Sammler hat? Es scheint fast, als hätte Bourriaud, Mitbegründer des Palais de Tokyo in Paris, die Triennale mit einem zentnerschweren akademischen Überbau aus begleitenden Podiumsdiskussionen vor der Panikstimmung der Londoner Kunstwelt abschirmen wollen.
In der Ausstellung fühlt man sich wie in einem abgeschiedenen Chalet, das der intellektuelle Vater seinem Nachwuchs zum Austoben gemietet hat. Der New Yorker Peter Coffin hat mit Exponaten aus der Tate-Sammlung eine alternative Kunstunterhaltung konstruiert: Auf einem Picabia-Gemälde zuckt das Stroboskoplicht, einer Bronzeskulptur von 1881 jagt er per Projektion Blitze in den Schädel. Bourriaud suchte für die Triennale die fast 30 Künstler erstmals auch außerhalb Großbritanniens, in seinem Konzept werden Subodh Gupta, Tacita Dean oder Seth Price zu „kulturellen Nomaden“, die mit ihrer Arbeit reale und imaginäre Reisen antreten. Dass zumindest die „reale“ Entfernung trotz Globalisierung bleibt, beschreiben die grandiosen fragilen Glasboxen des 1976 geborenen Walead Beshty, die zunehmend zersplittern, je häufiger er sie per FedEx durch die Welt zu Ausstellungen schickt. Ihre Leidensgeschichte erinnert amüsanterweise auch an den zeitgenössischen Künstler selbst, dessen ganz private Globalisierung oft nicht viel mehr bedeutet als gestresstes Easyjetsetten.


Tate Britain, London, 3. Februar bis 26. April