Wieso die Wanderbiennale Manifesta auch nach Afrika wandert

Dass die Bewohner Südostspaniens Probleme haben, sieht man schon beim Anflug: Exzessive Landwirtschaft, Tourismus und Bauboom haben sich in die fortgeschritten degradierte Landschaft gefressen. „Die Wüste wächst: Weh dem, der Wüsten birgt!“ warnte einst Klimaexperte Friedrich Nietzsche, und das könnte auch eine Leitidee der achten Manifesta-Ausgabe sein. Sie findet in Murcia statt, eine Region und eine Stadt, die besonders unter ökologischen und politischen Missständen leidet. Schon früher ging die Wanderbiennale dorthin, wo das vermeintlich sichere, stabile und konfliktarme Europa gar nicht mehr so sicher, stabil und konfliktarm war. In Gegenden, die im Abseits liegen, zu Menschen, die auf dem Trockenen sitzen. Die Manifesta 8 will jedoch bei aller Gegenwartsdiagnose die historische Sicht nicht vernachlässigen. Murcia ist reich an römischen, arabischen und modernistischen Artefakten – auch wenn dieses Erbe nicht unbedingt in touristischen Formaten zu haben ist. In einem alten Hospital, einem Gefängnis, in Wassermühlen oder einem Auditorium wird Kunst zu sehen sein. Einige Gebäude werden eigens für die Schau renoviert und erweitert, 90 Prozent der Arbeiten extra für den jeweiligen Ort produziert. Eine konventionelle Ausstellung, die allein leere Fabrikhallen mit sperrigen Installationen umdefi niert, ist nicht zu erwarten. Die Ambitionen fl iegen hoch, und gleich drei diskursgestählte Kollektive kuratieren die Ausstellung: das Alexandria Contemporary Arts Forum aus Ägypten, Tranzit.org aus Mitteleuropa und die Chamber of Public Secrets, deren Mitglieder aus Dänemark und dem Nahen Osten kommen.
Die Organisatoren wollen eine Brücke nach Afrika schlagen und haben dafür Künstler aus dem Norden des Kontinents eingeladen; kümmerte sich die Biennale bislang um die Überwindung von Ost und West nach dem Fall des Sozialismus, rückt nun also auch der Süden in den Fokus. Talkshows werden produziert, die im arabischen Sender Al Jazeera ausgestrahlt werden, oder es werden die Möglichkeiten einer panafrikanischen Biennale ausgelotet. Kann sein, dass das alles ein bisschen zu viel wird – aber immer noch besser als nichts und Wüste.

9. Oktober bis 9. Januar 2011