Thomas-Bayrle-Monografie

Mikro Makro

Es hört sich erst mal wie eine amüsante Anekdote an, dass Thomas Bayrle einst in einer Weberei arbeitete, die den Namen Mikro Makro trug. Doch hier bereitete sich schon alles vor, was später über den Umweg des Grafikers und Druckers zu seinem Stil, ja einer Philosophie werden sollte. Bayrle hatte schon früh ein Gespür für die Verwobenheit der Dinge, für die Textur, aus der alles gemacht ist. Er nahm Anfang der 60er-Jahre in seinen Prints, die ein Motiv aus zahllosen kleinen Motiven zusammensetzten, sogar die digitale Ästhetik vorweg, lange bevor sie Teil des Alltags wurde.

Thomas Bayrles Denken materialisiert sich während seiner Laufbahn in verschiedensten Formen: Seine Regenmäntel, sagte er einmal, hätte er am liebsten an ganz vielen Menschen gesehen, die man von oben betrachten kann. Google Earth gab es damals noch nicht. Aber Mikro Makro.

Zur Documenta 13 baute er im vorigen Jahr Motoren auf, die Gebetsmühlen waren. Es hat mehrere Jahrzehnte gedauert, bis Bayrle als Künstler die Anerkennung bekam, die er verdient. Zuvor wurde er vor allem als exzellenter Professor an der Städelschule wahrgenommen, der keine Serienformate seiner selbst heranzog, sondern außergewöhnlich individuelle Künstler.

Dieser Katalog zu seiner vergangenen Ausstellung im Brüsseler Kunstzentrum Wiels ist die erste große Monografie Bayrles, und der schönste Text darin kommt von Jörg Heiser. Er verwebt graues Lokalkolorit der Rhein-Main-Region wie das Frankfurter Kreuz, den Flughafen (alles Motive des Künstlers) mit Zeitgeschichte von Pop bis Politik – hier ist Bayrle ebenfalls zuständig. Denn der 1937 in Berlin geborene gelernte Weber war von der Frankfurter Studentenbewegung angezogen. Doch sein Rebellentum ist smart, elegant, eher lustig als verbissen. Das Buch zeigt unaufgeregt und dabei sehr souverän, wie bei einem Künstler alle Fäden zusammenlaufen.

Thomas Bayrle: „All-in-One“. Auf Englisch. Verlag der Buchhandlung Walther König, 224 Seiten, 38 Euro