Exile Gallery, Berlin

Boys, Boys, Boys!

It’s a material world, und er war ein material boy. Mitte der 40er-Jahre gründete Bob Mizer in Los Angeles das Unternehmen Athletic Model Guild (AMG), das man sich als kalifornischen Vorläufer von Andy Warhols Factory vorstellen muss: Jedermann, ob angehender Schauspieler oder Straßenjunge, konnte in dem weitläufigen Gebäudekomplex, das mit einem Pool und einem eigenen Zoo ausgestattet war, Spaß haben und umsonst wohnen. Solange er sich auszog und von Mizer fotografieren ließ.

Die gesetzlichen Grenzen für solche Bilder waren eng. Mizer umschiffte sie, indem er seine Modelle in Sportlerposen aufnahm, und zeigte sich von diversen Verfahren wegen Pornografie, Drogenmissbrauch, Prostitution und einer sechsmonatigen Haftstrafe unbeeindruckt. Über „Physique Pictorial“, das erste offen homosexuelle Sportmagazin Amerikas, erreichte er ein Massenpublikum; die Reproduktionen seiner Fotos waren gespickt mit Nummern, über die man Abzüge von einzelnen Boys bestellen konnte.

Subkultur und Celebrities, Kommerz und Avantgarde – in den Salons von AMG kam alles zusammen. Zu Mizers Models zählten Joe Dallesandro, der später bei Warhol Karriere machte, der angehende Fotograf Jack Pierson, der Hollywoodstar Glenn Corbett. Ein junger Engländer namens David Hockney fand hier die Inspiration zu seinen Poolbildern, der österreichische Bodybuilder Arnold Schwarzenegger ließ sich Mitte der 70er-Jahre porträtieren. Als Mizer 1992 starb, hinterließ er ein riesiges Archiv voller Karteikarten, Kulissen, Tagebüchern, Filmen und rund eine Million Negative.

Ein wichtiger Schritt zur Aufarbeitung von Mizers Werk und Leben war das von Dian Hanson 2009 im Taschen Verlag herausgegebene Buch „Bob’s World“. Einen weiteren unternimmt jetzt die Berliner Galerie Exile in ihren neuen Räumen in der Köpenicker Straße. Galerist Christian Siekmeier und Gastkurator Billy Miller haben über Wochen hinweg das Mizer-Archiv in San Francisco durchforstet und schließlich 26 unveröffentlichte Motive für eine Ausstellung ausgewählt, Mizers erste Einzelschau überhaupt.

Die farbsatten Cibachrome-Prints der „Selected Private Views 1942–1992“ zeigen ganze Kerle. Da ist ein nackter Jesus am Kreuz, ein Nazi mit Hund, ein Muskelprotz, ein Marine – campy Stereotype männlicher Repräsentation, denen Mizer Zwischentöne untermischte: Hinter einem stolz in der Wildnis posierenden Indianer ziehen Kerosinspuren über den Himmel. 

Exile Gallery, Berlin, bis 19. März