Foster über Fuller

"Er hat eine ganze Generation von Kreativen beeinflusst"

Lord Foster, Sie haben mehr als ein Jahrzehnt mit Buckminster Fuller zusammengearbeitet, bis zu seinem Tod 1983. Welche Aufgabe hatten Sie in seinem Universum?
Die Frage hätte Fuller beleidigt. Sie unterstellt ihm ein riesiges Ego und eine egozentrische Sicht der Welt. Die Wahrheit könnte nicht ferner liegen. Natürlich glaubte Bucky leidenschaftlich und entschlossen an seine Überzeugungen. Aber er vertraute auf die Intelligenz des Individuums und glaubte an intellektuelle Gleichheit. Zusammengebracht hat uns 1971 ein Theaterbau für das St Peter’s College in Oxford. Es sollte unter dem Collegehof gebaut werden, wie ein geodätisches U-Boot aus Metall.

Er war ein sehr unkonventioneller Denker. Wie war er denn als Chef?
Immer freundlich, schlagfertig mit frecher Ironie, großzügig, ernsthaft. Er achtete penibel auf seine Kleidung, etwas altmodisch, aber immer mit Stil. Niemand stand mit Bucky in einem konventionellen Arbeitsverhältnis in dem Sinn, dass man für einen Chef arbeitet. Wenn überhaupt, dann war er ein Lehrer. Der Eindruck des kühlen Technokraten, den viele wohl haben, täuscht vollkommen.

Können Sie sich an einen besonderen Moment oder eine Unterhaltung mit ihm erinnern?
Als ich ihm 1978 unser Sainsbury Centre for Visual Arts zeigte, da überraschte er mich mit der Frage, wie viel denn das Gebäude wiege. Das war überhaupt nicht rhetorisch gefragt. Er lenkte unsere Aufmerksamkeit auf die Effizienz, darauf, wie viele Tonnen Material wie viel Rauminhalt enthielten. Und wie er es geahnt hatte, entdeckten wir dabei etwas. Das Untergeschoss, das nur acht Prozent des zentralen Gebäudes ausmacht, wog 80 Prozent des gesamten. Bucky hatte recht, auf das Verhältnis von Gewicht, Energie und Ausführung hinzuweisen – ich würde allerdings noch „Schönheit“ hinzufügen.

Wie viel Fuller steckt in Foster?
Man könnte viele Seiten mit den Anregungen füllen, die uns Bucky gab. Aber vermutlich zeigt sich sein Erbe am besten in den Themen Sicherheit, Energie und Umwelt – den Herzstücken der zeitgenössischen Architektur. Er war der Vordenker des umweltfreundlichen Planens: mit weniger mehr schaffen. Ein Prinzip, das ganz grundlegend unsere Arbeit prägt – und das uns auch zusammengeführt hat. Zumindest war es das Hauptthema des Mittagessens, bei dem wir einander vorgestellt wurden. Nach dem Essen meinte Bucky, er wolle mich als seinen Mitarbeiter für das unterirdische Theater in Oxford – sein erstes Projekt in Großbritannien.

Fuller hat in der zeitgenössischen Kunst viele Anhänger. Findet sein Werk die gleiche Aufmerksamkeit in der zeitgenössischen Architektur?
Bucky hat eine ganze Generation von Kreativen beeinflusst – das gilt, meine ich, für die Kunst wie die Architektur. Er war seiner Zeit in vielen Dingen weit voraus. Und zwar auch technologisch: Wir können viele Dinge erst heute realisieren, von denen er schon konkret geträumt hat.

Was war Ihre schwierigste Aufgabe als Kurator der Fuller-Ausstellung?
Das Schwierigste war, ihn als Menschen darzustellen. Es ist einfach unmöglich, den Dauerfluss seiner Ideen zu vermitteln, die Inspiration und die Neugier. Aber ich glaube, Luis Fernández-Galiano und mir ist es besser gelungen als allen bisherigen Ausstellungen, weil wir zeigen, wie außerordentlich weit seine Interessen gestreut waren.

Fullers Ideen werden meist unter „Utopie“ abgespeichert. Wie könnte man das ändern?
Viele seiner Ideen hatten eine sehr praktische Ebene. Er war der Erste, der das Konzept der grauen Energie, also die gesamte Energie für Herstellung und Beseitigung eines Produkts, ernst nahm. Er hat vorgeschlagen, wichtige Industriegüter von den Herstellern zu mieten, um das Recycling zu garantieren. Erst jetzt gehen wichtige Industriebetriebe erste Schritte in diese Richtung – die Automobilindustrie ist ein gutes Beispiel – und planen ein systematisches Recycling.

Welche seiner Ideen finden Sie am wichtigsten für unsere Gegenwart und Zukunft?
Wäre Bucky jetzt hier, würde er eloquent nachweisen, wie dringend wir in die Erforschung erneuerbarer Energien investieren müssen, um die fossilen Treibstoffe zu ersetzen. Er würde auf das negative, konfliktfördernde Potenzial konventioneller Ressourcen zu sprechen kommen. Er war dafür, finanzielle und intellektuelle Mittel, die man in die Kriegsindustrie steckt, in nachhaltiges Leben auf unserem Planeten zu investieren – oder, wie ich zu erinnern meine, von „Töterei“ zu „Leberei“ zu kommen.

Was ist Ihr persönliches Lieblingsstück aus seinem Œuvre und warum?
Mein Lieblingsstück ist das „Dyma­xion Car“. Das fand ich so toll, dass ich einen echten Wagen Nummer vier gebaut habe (es gab nur drei Originalversionen). An ihm stammt alles entweder von 1934 oder wurde mit Techniken und aus Material hergestellt, zu denen Bucky damals Zugang gehabt hätte. Ein reines Liebhaberprojekt. Der „Fly’s Eye Dome“ nimmt einen stolzen Platz direkt daneben ein – Bucky hatte mich 1970 zur Planung dazugeholt, und ein paar Jahre später ist es mir dann gelungen, das Original zu kaufen.

Die Ausstellung "Bucky Fuller & Spaceship Earth", kuratiert von Norman Foster, ist bis 18. September im MARTa Herford zu sehen.