Videokünstler Zbigniew Rybczyński im Interview

"Es ist keine neue visuelle Musik entstanden"

Herr Rybczyński, Sie blicken ungern zurück. Wieso eigentlich?
Lassen Sie mich ganz ehrlich sein: Für mich sind die frühen Filme lange vorbei. Sie bringen mich nicht weiter. Ich hab immer gesagt: „Das sind nicht meine Filme – das sind nur Tests." Meine Bedingung für die Ausstellung in Berlin war, dass ich auch meine neuen Arbeiten, die von moderner Technologie handeln, zeigen kann.

In Ihren Videoarbeiten kommen viele surrealistische Elemente vor, manchmal scheint es, als ob René Magritte oder auch Salvador Dali Sie stark beeinflusst hätten.
Magritte hat stets simple Alltagsgegenstände in seine Bilder integriert – ein Glas, ein Stuhl, ein Fenster. Da ich all mein Geld für Technik ausgegeben habe, musste ich ebenfalls mit simplen Objekten arbeiten. Aber das war kein Konzept, sondern pure Not. Selbst mein Hund hat manchmal mitgespielt. Mich inspiriert vieles. Meine größte Inspiration für den Film „Tango“ sind zum Beispiel gotische Gemälde.

Ist Risikobereitschaft wichtig für Ihre Arbeit?
Das mag vielleicht komisch klingen, aber ich weiß, wie man einen guten, erfolgreichen Film dreht, der in Cannes gewinnt. Doch das interessiert mich nicht. Mich reizen die Projekte, bei denen ich nicht weiß, wohin sie mich führen – wenn man das Drehbuch noch bei den Dreharbeiten umschreiben kann.

Sind Sie auch einmal gescheitert?
Ja, natürlich. Besonders als ich Musikvideos gemacht habe, das war so um 1984. Ich habe gedacht, dass eine neue, visuelle Musik entstehen würde. Aber leider war dem nicht so. Ich hab auch sehr viele Angebote abgelehnt, sobald ich die Forderungen von den Künstlern hörte. Viele wollten nur schöner oder jünger aussehen, aber es gab keine Botschaft an die Zuschauer. Das hat mich sehr enttäuscht und ich habe dann aufgehört.

Gefallen Ihnen heute irgendwelche Musikvideos?
Es gibt gute, aber mir fällt kein besonderes ein. Ich schaue mir so etwas auch eigentlich nicht an.

In den 80ern haben Sie aus politischen Gründen Polen verlassen. Nun sind Sie nach 30 Jahren zurück gekehrt. Was hat Sie dazu bewegt?
In den USA habe ich gemerkt, dass mir etwas nicht gefällt: Jeder spricht nur über Geld. Polen ist meine Heimat und ich finde, dass Europa unheimlich spannend ist. Wo auch immer ich lebe, verbringe ich außerdem die ganze Zeit in meinem Studio.

Momentan arbeiten Sie an Ihrem „Studio Ideale“. Was kann man sich darunter vorstellen?
Es ist eine neue Form des Filmstudios. Ein bisschen an die Situation im Theater angelehnt: Man spielt und sieht sofort das Ergebnis. Das Gewicht liegt auf den Spezialeffekten. Mit Hilfe meiner technischen Erfindungen könnte man das Film-Team drastisch verkleinern. Alles wäre automatisiert und von Computern gesteuert. Ich kann jetzt endlich meinen großen Traum verwirklichen und das modernste Studio der Welt bauen.

Fehlt es Ihnen manchmal, die nächste Generation beeinflussen zu können, jetzt wo sie nicht mehr in Köln „Experimentellen Film“ unterrichten?
Um all meine Techniken und Ideen zu lehren, möchte ich im neuen Studio ein "Institute of Image" gründen - ein kleiner und internationaler Kurs. Von den Teilnehmern erwarte ich allerdings, dass sie Computer programmieren können. Denn wenn jemand diese Sprache heutzutage nicht sprechen kann, ist er für mich ein Analphabet.

"BLICKWECHSEL. Künstlerische Dialoge mit Polen", mit Zbigniew Rybczyński, Gábor Bódy und Mirosław Bałka, Akademie der Künste, Berlin, bis 08. Januar 2012