Neue Stiftung geplan

NS-Raubkunst wird Chefsache im Kanzleramt

Berlin (dpa) - Die Bundesregierung will die Initiativen zur Suche nach NS-Raubkunst in Museen, Archiven und Bibliotheken unter dem Dach eines neuen Deutschen Zentrums Kulturgutverluste stärken. Das geht aus einem Vorschlag von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) an die Länder und Kommunen hervor. Dabei sollen die Finanzmittel des Bundes für Provenienzforschung von jetzt 2,7 Millionen Euro im Jahr deutlich erhöht werden, wie Grütters der Nachrichtenagentur dpa in Berlin am Freitag sagte. Dreieinhalb Monate nach dem Bekanntwerden des Fundes der Sammlung Gurlitt wird damit im Kanzleramt ein neuer Akzent bei der Suche nach NS-Raubkunst gesetzt.

Die geplante Stiftung mit Sitz in Magdeburg und einer Vertretung in Berlin soll noch in diesem Sommer eingerichtet werden. «Nicht erst der Fall Gurlitt und die Reaktion im In- und Ausland haben deutlich gemacht, dass wir unsere Anstrengungen in der Provenienzrecherche und Restitutionsfragen ausbauen müssen», sagte die Kulturstaatsministerin.

Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste - German Lost-Art Foundation werde als Stiftung Bürgerlichen Rechts gegründet. «Wir wollen damit einen zentralen Ansprechpartner für dieses komplexe Thema schaffen und transparent darüber informieren», sagte Grütters. Die CDU-Politikerin will das Projekt mit den Kultusministern der Länder am 14. März in Berlin beraten und auf den Weg bringen.

In die Stiftung sollen die Magdeburger Koordinierungsstelle mit ihrer Datenbank Lostart.de, die Beratende Kommission für Streitfälle (Limbach-Kommission) sowie die Berliner Arbeitsstelle für Provenienzforschung eingebunden werden. Auch die «Taskforce», die extra im Zusammenhang mit der spektakulären Kunstsammlung von Cornelius Gurlitt geschaffen wurde, sowie die Forschungsstelle für «Entartete Kunst» der Freien Universität Berlin, würden integriert

Die Stiftung solle sich auch mit den Kulturgutverlusten in der ehemaligen sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und in der DDR befassen. Außerdem möchte Grütters Stiftungsprofessuren für Provenienzforschung und Restitutionsrecht gründen.

In dem neuen Zentrum sollen die Förderanträge öffentlicher Einrichtungen zur Suche nach geraubter Kunst gebündelt werden. Auch Privatsammler sollen mit diesem Angebot unterstützt werden. Kleine Museen hätten dann die Möglichkeit, unabhängige Provenienzforscher einzusetzen. Bei Rückgabefällen und der Suche nach fairen Lösungen könnten sie dann besser unterstützt werden.

Zwar hätten seit der Jahrtausendwende die Museen beträchtliche Anstrengungen bei der Suche nach NS-Raubkunst unternommen. «Uns ist jedoch klar, dass wir noch nicht am Ende unsere Bemühungen stehen», sagte Grütters. Dabei habe die Bundesrepublik seit 1998 mehr als 12 000 Objekte zurückgegeben. In 67 Museen seien mehr als 90 000 Werke, überwiegend Gemälde, überprüft worden. Die Museen hätten verstanden, dass es nicht alleine auf gute Ausstellungen ankomme. «Museen sind sich bewusst, dass sie zukünftig auch daran gemessen werden, wie sie ihre Geschichte und die Geschichte ihrer Sammlung aufarbeiten», sagte Grütters.

Nach der Entdeckung von mehr als 1200 Bildern beim Münchner Kunsthändlersohn Cornelius Gurlitt und einem Bericht im Nachrichtenmagazin «Focus» vom November 2013 war im In- und Ausland Kritik am Umgang der Bundesrepublik mit NS-Raubkunst laut geworden. Bereits kurz nach ihrem Amtsantritt Ende 2013 hatte Grütters die schleppende Suche danach kritisiert. «Ich finde es schlicht unerträglich, dass sich immer noch Nazi-Raubkunst in deutschen Museen befindet», hatte sie im Januar 2014 gesagt.

Bei der Sammlung Gurlitt gibt es Vermutungen, dass es sich bei einem Teil der Bilder um Nazi-Raubkunst handeln könnte. Die Experten der Taskforce «Schwabinger Kunstfund» halten rund 600 Bilder für verdächtig. Gurlitts Anwälte sprechen von höchstens drei Prozent.