Neue Galeriemodelle

"Etwas anders machen"

Foto: Office Impart
Foto: Office Impart
Johanna Neuschäffer (links) und Anne Schwanz haben Office Impart gegründet

Statt über die schwierigen Bedingungen auf dem Kunstmarkt zu klagen, wollen die Gründerinnen Johanna Neuschäffer und Anne Schwanz lieber jenseits des klassischen Galeriemodells experimentieren "Rethinking structures – a post gallery", schreiben Sie auf Ihrer Facebookseite. Was ist Office Impart?
Anne Schwanz: Office Impart arbeitet an einem alternativen Galeriemodell, weil wir das klassische als zu starr empfinden und glauben, dass es den zeitgenössischen Gegebenheiten nicht angepasst ist. Auf das, was in der Gesellschaft durch die Digitalisierung passiert, auf diese Transformation, die alle Lebensbereiche betrifft, hat die Kunstwelt noch nicht wirklich reagiert. Das klassische Modell umfasst einen Raum, mit einem regelmäßigem Ausstellungsprogramm, einem festen Künstlerstamm und fünf Messen im Jahr. Wir glauben, dass Galeristen und Galeristinnen heute viel flexibler arbeiten können und hinterfragen diese Parameter. Wir starten ohne Raum, wir werden keinen festen Künstlerstamm haben, denken freier über Ausstellungsformate nach und werden viel über Kooperationen arbeiten. Das Wesentliche ist das Netzwerk. "To Impart" heißt vermitteln, das ist die Basis unserer Arbeit.
Johanna Neuschäffer: "Rethinking Structures" bezieht sich auch darauf, dass wir im Jetzt starten. Aus der langjährigen Erfahrung in der klassischen Galeriearbeit wissen wir, was wir nicht mehr machen wollen. Wir suchen gerade ein Büro, eine Repräsentanz, aber wir wollen uns nicht in diese linearen Strukturen begeben, einen Ausstellungsraum machen zu müssen. Das Lineare ist das Schwierige: Während man eine Ausstellung macht, denkt man schon wieder über die nächste nach, und man kommt aus diesem klassischen Korsett nicht mehr raus, weil das Jahr schon so vorstrukturiert ist und man nicht auf das reagieren kann, was um einen herum passiert.

Wie arbeitet Office Impart?
Anne Schwanz: Wir können uns auf verschiedene Orte und Kooperationen einstellen, können aber genauso auch mal an einem Ort eine eigene Pop-up-Ausstellung machen. Das wird sich mit der Zeit und unseren Projekten entwickeln. Es werden vor allem individuell zugeschnittene Projekte mit jungen und etablierten Künstlern sein, die nicht in einen festen Galerieraum gebunden sind. Und so ändert sich auch die Zusammenarbeit mit den Künstlern und Künstlerinnen. Ich glaube, dass sie die gewohnte Abhängigkeit von nur einer Galerie gar nicht mehr wollen, sondern auch verschiedene Partner für verschiedene Projekte. Als Galerie hat man normalerweise einen festen Künstlerstamm, dessen Arbeiten man anbietet, aber man fragt gar nicht, was will denn eigentlich der Kunde oder der Sammler? Heute zieht man für alles einen Experten zu Rate, für die Einrichtung, die Fitness, die Ernährung. Diese Experten lassen sich auf jeden Kunden individuell ein, und das machen wir auch mit den Leuten, die zu uns kommen.
Johanna Neuschäffer: Für uns war es ein großer Schritt zu sagen, wir machen eine Galerie. Daher mögen wir gerade den Begriff der Post-Galerie, weil das Bild des Galeristen aus unserem Blick wahnsinnig stehengeblieben ist und nicht mehr dem entspricht, was wir sein möchten.

Wie wichtig sind Verkäufe für Sie?
Anne Schwanz: Wenn man sich das Geschäftsmodell Galerie anschaut, lebt das im Prinzip nur von einem Geschäftsfeld, und das ist der Verkauf. Wir wollen die Arbeit auf mehrere Felder verteilen und über mehrere Bereiche Geld verdienen können. Das wurde in den letzten Jahren immer sehr eingeschränkt gesehen, ein Galerist macht nicht dies und nicht jenes – warum denn nicht?
Johanna Neuschäffer: Wir sind natürlich auch Unternehmerinnen, wir wollen auch Geld verdienen, wofür man sich immer ein bißchen rechtfertigen muss. Wir haben einen Business Plan und uns überlegt, wie man ein Unternehmen aufbaut. Wir wollen nicht nur Ausstellungen machen und hoffen, dass alle damit glücklich werden. Es wird nicht bei jeder Ausstellung, die wir machen, auch etwas zu kaufen geben, aber wir wollen auf allen Ebenen mit Künstlerinnen und Künstlern arbeiten, auch finanziell. Die Verkäufe sind ja wichtig für alle. Vermitteln bedeutet auch, Kunst in Häuser und zum Leben zu bringen.
Anne Schwanz: Aber wenn wir wie gerade mit Institutionen wie dem "Kindl - Zentrum für zeitgenössische Kunst" oder dem Haus am Lützowplatz kooperieren, geht es natürlich nicht darum, Werke zu verkaufen, das ist ein ganz anderes Konzept. Das ist ja das Schöne an unserem Neustart, dass wir sowas auch einfach machen können. Wir genießen es gerade extrem, das machen zu können, worauf wir Lust haben, und die Regeln selbst zu definieren.
Johanna Neuschäffer: Ein wichtiger Part ist auch "TheWeeker", unser Newsletter, den wir jede Woche rausschicken, mit Empfehlungen für Ausstellungen und Projekte, auf die wir Lust haben. Daraus entsteht eine Plattform, auf der wir mitteilen, was wir neben unseren eigenen Projekten gutfinden. Wir kreieren so eine Community. Uns interessiert, wie vermittelst du und wie bindest du. Wir fahren zum Beispiel zu Festivals oder Biennalen, als nächstes nach Halle zum Werkleitz Festival Ende Oktober, und nehmen die Leute mit, die Lust haben. Das ist auch eine Form der Vermittlung.
Anne Schwanz: Wir sehen Office Impart als eine Plattform, auf der wir Leute über gleiche Interessen verknüpfen und verbinden. Wir sind nicht der Buchladen, wir sind Amazon, aber ein gutes Amazon. Wir arbeiten auch an der Idee, ein Kuratoren- und Kuratorinnen-Netzwerk aufzubauen. Auch da wollen wir Systeme neu denken.
Johanna Neuschäffer: Das ist auch ein Gedanke, der sich auf eine neue Sammlergeneration oder ein neues Spektrum übertragen lässt. Wir arbeiten sehr gezielt daran, neue Zielgruppen zu erreichen, denen vielleicht diese Vermittlung fehlt, um einzusteigen. Und sich dahin auch zu öffnen.

Man könnte sich also auch als junge Sammlerin und junger Sammler, die gerne etwas kaufen möchten, an Sie wenden, und Sie vermittelt dann?
Anne Schwanz: Genau, wir nehmen sie dann mit in die Welt der Kunst, um herauszufinden, was gefällt ihnen, was finden sie spannend, wie viel Austausch möchten sie dazu haben. Das merken wir schon bei den jungen Sammlerinnen und Sammlern, die möchten ja auch darüber reden, und wenn man jemanden hat, dem man vertraut, macht es auch viel mehr Spaß, gemeinsam solche Dinge zu entwickeln.

Welche Bedeutung spielen Kunstmessen für Ihre Arbeit?
Johanna Neuschäffer: Wir haben gerade eine Einladung bekommen, Anfang November fahren wir nach Turin zur Messe The Others, die finden unser Konzept spannend und wollen gerade solche neuen Ansätze mehr einbeziehen, da werden wir mit zwei Positionen teilnehmen. Wir schließen den klassischen Weg gar nicht aus, aber wir merken, dass alle gerade Lust haben, etwas anders zu machen, das ist wie eine Welle, die gerade beginnt, und wir wollen die mitgestalten.

Aktuell ist immer wieder vom Galeriesterben zu lesen. Gerade die mittelgroßen Galerien haben zu kämpfen. Macht Ihnen das Sorge bei Ihrem Berufsfeld oder bestärkt Sie das?
Anne Schwanz: Beides, wir wissen um die Härte dieses Jobs und wissen, wie es ist, täglich daran zu arbeiten, die Kunst zu vermitteln und zu verkaufen. Das Geld sitzt nicht mehr so locker wie früher, aber gerade wird alles so negativgeredet, es machen ja auch immer noch neue Galerien auf. Man muss aufpassen, das nicht so zu generalisieren. Und auf der anderen Seite sind wir natürlich total motiviert, dass wir es durch unseren neuen Ansatz gut schaffen werden, da wir uns einfach breiter aufstellen als die klassischen Galeriemodelle.
Johanna Neuschäffer: Ich glaube, dieses Galeriensterben zeigt eine Tendenz, dass sich vieles neu entwickelt. Sterben heißt vielleicht eher, dass die Luft raus ist aus diesem klassischen Modell. Ich würde das auch nicht so negativ sehen. Drei von vier von denen man liest, dass sie aufhören, machen einfach anders weiter. Wenn du merkst, dass deine Business-Strategie nicht so läuft, ist es wichtig, die ändern oder anpassen zu können, statt komplett dicht zu machen. So läuft das bei Start-ups ja auch. Wir haben das neue Galeriemodell auch noch nicht, wir arbeiten dran.
Anne Schwanz: Und wir werden auch nicht ein generalisiertes Modell finden, es ist viel mehr Platz für individuelle Konzepte. Eine Galerie kann viel mehr sein, als einen Raum zu haben und Künstler zu verteten.

Was wird man als nächstes von Office Impart sehen?
Anne Schwanz: Gerade haben wir das Projekt "THE ART HOUSE Vol.1" in Kooperation mit Andrea von Goetz in Hamburg eröffnet, dann kommt die Kunstmesse Art Berlin, da betreuen wir als "Ambassadors" verschiedene Gruppen von Jungsammlern und Jungsammlerinnen, denen wir eine kleine Tour und einen Tag gestalten. Dazu machen wir einen Event mit der Gruppenausstellung und Performance “Gallery.Delivery” - einem Projekt des Berliner Künstlers Sebastian Schmieg. "Gallery.Delivery" wird im Kontext der Berlin Art Week und Art Berlin von der Galerie Roehrs & Boetsch aus Zürich in Berlin präsentiert. Man kann sich eine Ausstellung nach Hause bestellen, per Fahrradkurier. Das machen wir für einen kleinen Kreis.
Johanna Neuschäffer: Dann sind wir bei verschiedenen Talks, wo es um neue Galeriemodelle geht, auf der Art Düsseldorf und bei Various Others in München. Und dann ist das nächste Große für uns die Ausstellung in der Studiogalerie im Haus am Lützowplatz, da zeigen wir ab 16. November "set in scene" mit drei jungen Künstlerpositionen, die sich mit Inszenierung von Malerei beschäftigen.