Sammler vs. Museen

 

Vor drei Monaten beklagte der Kunsthistoriker Beat Wyss in Monopol die Macht des Kunstmarkts, die den öffentlichen Museen kaum noch Handlungsspielraum lasse: „Die staatlichen Habenichtse können in diesem Poker nicht mehr mitspielen.“ Der Schweizer befürchtet einen „neuen Absolutismus der Reichen, welche die Kultur bestimmen wie einst die Medici“.
Nun hat sich auch Chris Dercon, Direktor im Münchner Haus der Kunst, in der Sache zu Wort gemeldet. In Berlin hielt er einen Vortrag über das Verhältnis zwischen privaten Sammlern und öffentlichen Museen, in dem er auch auf Beat Wyss’ Essay einging. Private Kunstsammlungen seien häufig profillos, dem allgemeinen Geschmack unterworfen und gäben keine Garantie für eine kontinuierliche Politik, erklärte Dercon. Zudem stünden sie in Konkurrenz zum öffentlichen Museum.
Deshalb fordert der Museumsmann: „Der Kunstmarkt muss im Interesse einer stabilen Preispolitik in die produktiven Institutionen der Kunst investieren.“ Monopol erbat Reaktionen auf die Thesen von Chris Dercon – stellvertretend von einem Museumsmann und einem Privatsammler.

 

 

Christian Boros, Sammler, der in Berlin einen

Bunker zum Privatmuseum umgebaut hat:

 

„Der Begriff Konkurrenz ist mir fremd. Es geht im Leben wie in der Kunst stets um gegenseitige Verstärkung, wechselseitige Bereicherungen und Befruchtungen. Es ist klein gedacht, zu glauben, man nimmt einander etwas weg. Zentren bedeuten immer Haufenbildungen. Es ist gut für die Kunst, wenn es mehrere Kräfte gibt. Ein Diamant schillert auch nur durch viele Facetten – ein Brillant muss 56 Mal geschliffen werden!

Das ist auch in der Kunst so. Sie ist nichts Monokausales, sondern hat viele Facetten und Fehler, die man alle zulassen muss. Es wird sich zeigen, was bleibt. Es gibt drei Phasen von Sammlern: Früher haben die Sammler den Museen erst nach ihrem Tod ihre Sammlung geschenkt. Später griffen sie in die Museen direkt ein, indem sie ihre Leihgaben dorthin gaben (etwa Erich Marx mit seinen Dauerleihgaben im Hamburger Bahnhof, Berlin). Sie haben also die Museen instrumentalisiert. Heute verlaufen die Dinge sauberer: Museen werden von Sammlern nicht mehr als Wertsteigerungsmaschinen benutzt. Mit meinem Privatmuseum will ich die öffentlichen Museen provozieren, aber nicht für meine Interessen nutzen. Wir Privatsammler bringen Kunst noch stärker ins öffentliche Bewusstsein. In meinem Bunker gibt es 24 Führungen pro Wochenende, so etwas gibt es in keinem Museum. Natürlich wird nicht jeder seine Sammlung in ein Privatmuseum umbauen, sondern auch etwas weggeben wollen. Doch gute Museumsdirektoren bestehen auf Schenkungen, nicht auf Leihgaben. Ich als Sammler sage den Museen: Hütet euch vor der Energie der Sammler! Lasst euch nicht instrumentalisieren! Ich warne vor schwachen, eitlen Museumsdirektoren, die sich auf Leihverträge über acht Jahre einlassen. Heute sitzt ja kaum ein Museumsdirektor länger als vier Jahre auf seinem Posten. Entsprechend hinterlässt er nur Etappenspuren. Aber: Museen sind auf Ewigkeit ausgerichtet!“

 

 

Robert Fleck, Direktor der
Deichtorhallen, Hamburg:

 

„Das Verhältnis zwischen Sammlern und Museen hat sich global gewandelt. Die deutsche Situation aber gibt es sonst meines Wissens nirgendwo auf der Welt. Unlängst stand ich mit einem schwedischen, einem niederländischen und einem britischen Museumsdirektor zusammen und erzählte, in Deutschland werde nicht mehr an Museen gestiftet, sondern es seien Dauerleihgaben. Daraufhin riefen die drei Kollegen unisono: ‚Was heißt Dauerleihgabe? Entweder Dauer oder Leihgabe!‘ Tatsächlich übernimmt heute der deutsche Steuerzahler oft drei Mal die Kosten privater Sammler: über Steuernachlässe bei Ankäufen (de facto bisweilen
100 Prozent des Kaufpreises), über Verwaltungs- und Lagerkosten, die die Museen tragen, und über Ankaufsbudgets der öffentlichen Sammlungen. Die deutschen Museen wurden deshalb so bedeutend, weil das deutsche Bürgertum seit dem 19. Jahrhundert massenhaft Werke stiftete. Das findet heute nicht mehr statt, und das verschafft dem Land einen spürbaren Wettbewerbsnachteil in der globalisierten Kunstwelt. Derzeit stehen Privatmuseen (auch Ausstellungshäuser von Stiftungen) und öffentliche Häuser in Deutschland durchaus in Konkurrenz. Auch hier ist die Situation in Deutschland sehr anders als bei den Nachbarn.

Am schädlichsten ist, dass gerade Privatmuseen, die eigentlich auf Besucherzahlen noch weniger Rücksicht nehmen müssten als öffentliche Häuser, bisweilen das populistischste Programm fahren und damit die politische Legitimität der öffentlichen Museen als wissenschaftliche Anstalten mittelfristig in Frage stellen. Langfristig aber werden die Sammlungsbestände der privaten Häuser doch den öffentlichen Museen zufallen, einfach weil die Privatmuseen fast durchwegs an eine Gründerpersönlichkeit gebunden sind und meist nicht länger als 20 Jahre bestehen.“