Girardet & Müller in Hannover

Schau hin, wenn du kannst

Der Begriff Filmcollage ist eigentlich eine Tautologie. Denn gerade Spielfilme sind immer Collagen, was Kinozuschauer aber selten merken. Wenn der erzählerische Bogen stimmt, fallen Schnitte nicht auf. Anders im neuen Film von Christoph Girardet und Matthias Müller. Dort tun sie weh.

„Cut“ heißt das Werk, das die beiden bei ihrer Ausstellung im Kunstverein Hannover erstmals zeigen werden. Wie so oft arbeitet das Duo mit Found Footage, der Rekombination gefundener Clips. Diesmal entstammen sie überwiegend dem Horrorgenre und sind derart kunstvoll zu einem Essay über Körper, Zärtlichkeit, Gewalt und Zerfall montiert, dass es einem kalt über den Rücken herunterläuft. Zwölf Minuten Körperkino, das sich abendfüllend anfühlt, ohne langatmig zu sein. Beklemmende Stille auf der Tonspur, nur Tröpfeln, Kratzen, Keuchen. Mehrmals sind Schwarzfelder eingeschnitten, wie um den Zuschauer in die Abgründe der eigenen Fantasie zu stoßen.

Der Collagefilm wurzelt im Surrealismus, das wird bei „Cut“ besonders deutlich: Der Schnitt durchs Auge und die Ameisen, die aus einer Handfläche krabbeln, sind Reminiszenzen an Luis Buñuels und Salvador Dalís „Andalusischen Hund“ von 1929.

Seit 1999 arbeiten Girardet und Müller, die zudem als Solokünstler aktiv sind, immer wieder zusammen. „Tell Me What You See“, ein Zitat aus einem Filmdialog und hier Titel der Schau, dient auch als Hinweis auf eine Partnerschaft, in der Ideen und Interpretationen verbalisiert werden müssen, damit die nächste Produktionsstufe erklommen werden kann. Filme von Girardet und Müller sind trotz (oder wegen) ihrer erzählerischen Tiefe generell antiillusionistisch und betont analytisch. In ihnen stecken nicht nur sehr viele andere Filme, durch sie erfährt man außerdem viel über das Kino, seine Konventionen, seine Formen.

Praktisch jedes im Kunstverein präsentierte Werk konzentriert sich auf ein formales Grundmotiv: Bei „Contre-jour“ (2009) – hier drehten die Künstler ihr Material selbst – stehen Licht und Dunkel im Vordergrund. Die Dreikanalinstallation „Locomotive“ (2008), kompiliert aus Zugszenen, feiert die choreografischen Möglichkeiten der Montage. Filme fürs Museum, Kunst fürs Kino: Girardet und Müller sind weiter auf dem Zwischengleis unterwegs.

„Christoph Girardet & Matthias Müller: Tell Me What You See“, Kunstverein Hannover, 11. Januar bis 16. März. Eröffnung: Freitag um 20 Uhr