Berlin entdeckt Hans Richter neu

"Schlüsselfigur der Moderne"

Berlin (dpa) - Noch vor der mit Spannung erwarteten Ausstellung des chinesischen Künstlers Ai Weiwei bietet der Martin-Gropius-Bau in Berlin eine Wiederbegegnung der besonderen Art. Der fast vergessene Maler, Filmemacher und Schriftsteller Hans Richter (1888-1976) wird als einer der Mitbegründer des Dadaismus und als Pionier des abstrakten Films vorgestellt. Erstmals seit 30 Jahren kehrt der einst von den Nazis verfemte Künstler damit in seine Heimatstadt zurück.

«Hans Richter hat schon zu einer Zeit multimedial gearbeitet, wo es das Wort noch gar nicht gab», sagte Museumsdirektor Gereon Sievernich am Mittwoch vor der Eröffnung. «Er war sehr bescheiden und zurückhaltend, aber für die klassische Moderne ein Schlüsselfigur.»

Das gilt nach Angaben der Ausstellungsmacher besonders, weil der Sohn eines jüdischen Legationsrats nicht nur in der eigenen Arbeit ein Multitalent war, sondern durch seine vielfältigen Beziehungen weltweit auch andere Avantgardekünstler beeinflusste. Dazu gehörten etwa Hans Arp, Marcel Duchamp, Fernand Léger, John Cage und Max Ernst.

«Sein Leben und Schaffen brachten ihn in Kontakt mit einem wahren Who is Who der Pioniere des 20. Jahrhunderts, von denen viele in der Ausstellung ein Rolle spielen», sagte Kurator Timothy O. Benson, dessen County-Museum in Los Angeles die Wiederentdeckung des Deutschen angestoßen hat. Auch das Centre Pompidou in Metz war beteiligt.

Rund 150 Bilder, Skulpturen und Filme von Richter werden in Beziehung gesetzt zu etwa 50 anderen Werken der Avantgarde. Zu sehen ist etwa das spektakuläre, fünf Meter lange Rollbild «Stalingrad» (1943-1946), eine abstrakte Collage auf Papier, Wand an Wand gehängt mit Fernand Légers Öl-Silhouetten «Die großen schwarzen Taucher» (1944). Die schwarzgrundige Serie «Fugen» illustriert Richters enge Beziehung zur Musik.

Der Künstler hatte nach seinem Studium in Berlin die Vertreter von «Brücke» und «Blauem Reiter» kennengelernt. Im Krieg schwer verwundet, schloss er sich 1916 in der Schweiz der Dada-Bewegung an, die gegen konventionelle Kunstformen rebellierte. «Es war ein Gewitter, das über die Kunst jener Zeit hereinbrach», notierte er später.

1921 entsteht mit «Rhythmus 21» sein erster abstrakter Film. Nach der Flucht vor den Nazis in die USA 1941 bildet er in New York Studenten aus, die später zu den Wegbereitern des amerikanischen Independent-Kinos werden. Zeitlebens sei es ihm um die Verbindung von Film und Kunst gegangen, sagt Kurator Benson. «Er übermittelte der neuen Generation die Hoffnung, "dass die der Kunst eigene Magie wieder zum Leben erweckt wird".»

Die Ausstellung geht bis zum 30. Juni. Parallel dazu läuft am 3. April die große Ai-Weiwei-Schau im Gropius-Bau an.