Zarina Bhimji in London

Schreckens- und Sehnsuchtsorte

„Es gibt Wörter, die die Gefühle beschreiben, über die ich in meinen Arbeiten spreche“, sagte die Künstlerin in einem Gespräch auf Channel 4 anlässlich ihrer Nominierung zum Turner Prize 2007. „Aber ich interessiere mich für Erzählformen, die nicht mit der Sprache verbunden sind“ – für Töne, die Blinde verstehen, für Bilder, die Gewalt, Kolonialherrschaft und die Erfahrungen ungezählter Flüchtlinge einfangen, ohne sie jemals konkret zu zeigen: verlassene Häuser und Straßen, zerschossene Fenster und Fassaden, brennende Steppen.

 Zarina Bhimji, 1964 in Mbarara geboren, wurde selbst vertrieben. Nach der Machtergreifung durch Idi Amin Dada 1971 musste sie Uganda aufgrund ihrer indischen Abstammung im Alter von zehn Jahren verlassen. Seitdem lebt sie in London, wo die Whitechapel Gallery jetzt eine große Einzelschau mit der Künstlerin organisiert. Vorgeführt werden nicht nur Bhimjis Filme, die sie vor allem mit der Präsentation von „Out of Blue“ (2002) bei der Documenta 11 bekannt gemacht haben. Storyboards, Zeichnungen und Fotografien gewähren Einblicke in ein Werk, das Zarina Bhimji seit inzwischen 25 Jahren nach Sansibar, Uganda, Kenia, aber auch nach Indien und in die Archive der englischen Museen und Regierung führt.

Die Installation „She loved to breathe: Pure silence“ (1987) zum Beispiel deckt Machenschaften der britischen Einwanderungsbehörden auf. Plastikhandschuhe, Fotos von Schuhen und Ketten sowie Textpassagen rekonstruieren brutale Fälle aus den 70er-Jahren, in denen Beamte gynäkologische Untersuchungen an indischen Frauen vornahmen, um festzustellen, ob sie noch Jungfrauen waren.

Zarina Bhimjis neueste Produktion „Yellow Patch“ (2011) kreist ebenfalls um die Herkunft ihrer Eltern. Bhimji besuchte für den Film Städte in Indien und porträtiert die Geschichte der Migration: Menschenleere Gebiete, Architektur- und Landschaftsaufnahmen erwecken Erinnerungen an eine Heimat, die Schreckens- und Sehnsuchtsort zugleich ist.

Whitechapel Gallery, London, 19. Januar bis 9. März 2012