Nach Umzug

Schwules Museum Berlin wiedereröffnet

Berlin (dpa) - Weltweit ist es nach eigenen Angaben das einzige Museum, das kontinuierlich Geschichte, Alltag und Kultur von Homosexuellen erforscht und in Ausstellungen dokumentiert. Aus einem Kreuzberger Hinterhof zog das Schwule Museum Ende Mai in ein ehemaliges Druckereigebäude in der Lützowstraße in Tiergarten. Jetzt wird eine neue Dauerausstellung für das freundliche, lichtdurchflutete Haus erarbeitet.

Erst bis Ende 2014/Anfang 2015 soll die überarbeitete Fassung der Schau fertig sein, die sich bislang vor allem auf männliche Homosexualität konzentrierte. Bis dahin zeigt eine überzeugende Übergangsschau mit dem Titel «Transformation» schon einmal einen Ausschnitt aus dem 50 000 Objekte umfassenden Archiv. Die Museumsmacher verstehen die Ausstellung als «assoziative Reise durch die vielen Transformationen, welche die LGBTIQ (LesbianGayBisexualTransIntersexQueer) Communities und ihre Akteur_innen in ihrer Geschichte durchlaufen haben.»

Der Blick auf die gleichgeschlechtliche Liebe beginnt bei Sappho, Salamakis, Hermaphrodit, Apoll und Hyazinth in der Antike und reicht bis in die Gegenwart. Die Geschichte der Homosexualität wird durch Biografien prominenter und nicht prominenter Protagonisten lebendig, die fast immer mit Verfolgung, Ausgrenzung und Vorurteilen zu kämpfen hatten. Ausgestellt sind Stiche, Fotografien, Gemälde, Starpostkarten und Briefe, die bemerkenswerte, teils tragische und oft künstlerisch inspirierte Lebensentwürfe dokumentieren.

In Deutschland bot ab dem Jahr 1920 Magnus Hirschfelds Institut für Sexualwissenschaft Beratung und rechtliche Unterstützung. Männer im Fummel und Frauen in Hosen waren zu dieser Zeit vor allem in Berlin die Stars des turbulenten Nachtlebens, das Lesben und Schwule aus ganz Europa anzog. Im Jahr 1930 wird in einem Zeitungsartikel über die erste geschlechtsangleichende Operation der Welt berichtet. Die Nationalsozialisten bereiteten diesen ersten Emanzipationsversuchen ein schnelles, brutales Ende.

Jahrzehnte später gibt es 1973 die erste Schwulendemo in Berlin, 1979 findet in Deutschland der erste Christopher Street Day statt. Nach der gesetzlichen Freigabe homosexueller Handlungen unter Erwachsenen hatte «Der Spiegel» im Jahr 1969 getitelt: «§ 175 - Das Gesetz fällt - bleibt die Ächtung?». Vier Jahre später der ernüchternde Aufmacher: «Homosexuelle - Befreit - aber geächtet».

Offen lesbisch oder schwul zu leben war auch in der DDR schwierig. Das Museum arbeitet gerade die Nachlässe und Bestände zur DDR-Geschichte auf. Bereits erschlossen seien zum Beispiel die Teilnachlässe von Charlotte von Mahlsdorf, dem berühmtesten Transvestit der DDR und Ikone der Schwulenbewegung, und vom Dresdner Arzt und Sexualwissenschaftler Rudolf Klimmer, so die Museumsmacher. Ebenso der Bestand der Kirchlichen Arbeitskreise Homosexualität, die sich zu Beginn der 80er unter dem Dach der Kirche bildeten.

«Die neue Dauerausstellung soll keine klassische Emanzipationsgeschichte erzählen», sagt Birgit Bosold vom Museumsvorstand. Vielmehr gehe es um neue Lebensentwürfe, Lebensformen und Wahlfamilien, die in Zeiten zerbröselnder traditioneller Familienstrukturen und Individualisierung genauso von Heterosexuellen gelebt würden. Ein wichtiges Thema sei außerdem die Veränderung der Geschlechterordnung, so Bosold. «Wir wollen auch eine Botschaft an andere Museen senden, in ihren Ausstellungen zum Beispiel mehr Werke von Frauen zu zeigen.»

Neben den Ausstellungsräumen im Erdgeschoss gibt es im Museum eine Bibliothek mit mehr als 16 000 Bänden, dazu kommen Zeitschriften, Filme, Schallplatten und Mitschnitten von Zeitzeugen-Interviews. In klimatisierten Depots im Untergeschoss wird der Archivbestand des Museums aufbewahrt. Sowohl Bibliothek als auch Archiv können während der Museumsöffnungszeiten ohne Anmeldung genutzt werden.