Wie die Beatles ihre Alben gestalteten

Sgt. Pepper's Coverrevolution

Im März 1967 muss der Künstler Peter Blake die roten Hyazinthen, aus denen der Schriftzug "BEATLES" geformt werden soll, wieder zum Floristen im Regent‘s Park zurückschicken. Die Musiker sind mit den Aufnahmen für ihr neues Album "Sgt. Pepper‘s Lonely Hearts Club Band" noch nicht fertig, die Coverproduktion muss warten. Vielleicht hat er sich in das vorbereitete Set mit lebensgroßen Wachsfiguren, Wasserpfeifen und Buddhastatuen in seinem Atelier in London gesetzt und – geseufzt. Wenig später beginnt die Produktion, die ihm nur einige hundert Pfund einbringt. Aber dieser Auftrag wird ihn zu einem der bekanntesten Künstler der Pop-Art machen.

Zu diesem Zeitpunkt haben die Beatles bereits sieben Alben veröffentlicht und wollen mit dem Cover ihres achten ein "Gesamtkunstwerk" schaffen. Doch kann ein Cover auch Kunst sein? Heute ist das selbstverständlich –  1967 revolutionär. Nach dem Zweiten Weltkrieg werden Musiker auf ihren Plattencovern meist in freundlicher Pose abgelichtet, Bandname und Albumtitel unauffällig in das Foto montiert. Die Plattenfirmen entscheiden, wie das Cover aussehen wird und wer es produziert. So wird das erste Albumcover der Beatles zu "Please Please Me" (1963) im Hauptquartier der Plattenfirma EMI in London von Fotograf Angus McBean aufgenommen. Das Cover war so schnell produziert wie die Musik.

Der Fotograf Robert Freeman wird zum Hausfotografen der Beatles, inszeniert Paul McCartney, John Lennon, Ringo Starr und George Harrison mit ernsten Gesichtern ("Beatles For Sale" 1964) oder als Buchstaben, die den Albumtitel "Help!" (1965) darstellen sollen, durch Improvisation dann aber doch zu einer grafischen Anordnung von Armen werden. Aber dann kommt der "fünfte Beatle": Klaus Voormann. Der deutsche Künstler und Bassist, der 1963 in der "Beatles-WG" wohnt und wegen der jahrelangen Freundschaft oft zur Band gezählt wird, motiviert die vier Liverpooler, sich in die Covergestaltung einzumischen. Als erste Band bekommen die von ihrer Plattenfirma das Recht eingeräumt, einen eigenen Designer zu engagieren. Pink Floyd zieht nach.

Der Startschuss ist "Revolver" (1966), ein stilistischer Bruch. Das Cover wird zum Teil des Albums. Voormann arbeitet private Schnappschüsse in die Mischung aus Collage und Zeichnung ein. Wer genau hinschaut, findet sogar ihn selbst in den Haaren von George Harrison. Diese Frisuren! Ob lang oder noch länger, das Cover sollte, so Voormann, mit den Haaren der Beatles zu tun haben. Pilzkopf hin oder her. Dafür wurde er mit einem Grammy ausgezeichnet. Er war es auch, der die Band motivierte, auch gestalterisch in andere Sphären aufzubrechen.  

1967, im "Summer of Love", gingen die Beatles musikalisch psychedelische Wege, reizten die Studiotechnik bis zum Äußersten aus, um ihr Album "Sgt. Pepper's …" zu produzieren. "Wir hatten das Beatle-Sein ein wenig satt, es wurde alles so verdammt vorhersehbar. Ich schlug vor, so zu tun, als wären wir eine andere Band", erinnerte sich Paul McCartney 1969. Und diese Idee war verdammt neu!

Hitler? Jesus? Doch lieber nicht. Dafür suchten die Beatles 60 andere Persönlichkeiten aus, darunter der Musikpionier Karlheinz Stockhausen, Schauspieler Marlon Brando oder Schriftsteller Aldous Huxley, die neben mexikanische Kerzenständern, Gartenzwergen und indischen Gurus Platz nahmen. Neben Peter Blake arbeiteten am Cover auch seine Frau Jann Haworth, der Kunsthändler Robert Fraser als Art-Director sowie der Fotograf Michael Cooper. Das Cover wurde eine lebensgroße 3D-Collage, die reale Personen, Wachsfiguren, Fotografien und Illustration vereinte. Die Beatles inmitten ihrer Helden und Mentoren, die beinahe das gesamte intellektuelle Klima der 60er-Jahre wiederspiegelten. Als Popkultur, bildende Kunst und Materialismus zusammenkamen und alles anders wurde. 

Ein Jahr später: alles weiß. Kein Logo. Kein Titel. Der Künstler Richard Hamilton, dessen Collage mit dem Titel "Just what is it that makes today's homes so different, so appealing?" zur Ikone der Pop-Art wurde, dirigierte die Beatles von kultureller Überfüllung zum starren Minimalismus. Der Bandname wurde auf dem Cover zum Album "The Beatles", auch "The White Album" genannt, blindgeprägt. Im Oktober 1968 fuhr Paul McCartney zwei Wochen lang fast täglich zu Hamilton nach Hause, um mit ihm an der Collage für das Album-Poster zu arbeiten: "Es war sehr aufregend für mich, weil ich mich für Kunst interessierte und jetzt konnte ich für eine Woche Hamiltons Assistent sein. Es war toll, jemandem beim Malen zuzuschauen." Die ersten Pressungen sollten durchnummeriert werden, wie in der Tradition der von Hand nummerierten Kunstdrucke. Ein Einzelstück im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit. Das war Anti, das war Avantgarde.

Die Cover der Beatles-Alben sind nicht nur wegen der Erhebung zum Kunstwerk Kult geworden. Es waren die richtigen Künstler, es war die richtige Zeit – es war Pop.