Isabelle Huppert im Interview

"Sie bleibt immer eine Mutter"

Isabelle Huppert spielt in Eva Ionescos Drama „I’m Not a F**king Princess“ Irina Ionesco, die Mutter der Regisseurin, die diese als Kind für Nacktaufnahmen in Szene setzte und damit das Frankreich der 70er-Jahre empörte

Madame Huppert, Sie haben einmal Henri Cartier-Bresson zitiert: Fotografieren sei Vergewaltigung mit Einwilligung des anderen.
Hab’ ich das wirklich gesagt? Meine Begegnung mit ihm lief jedenfalls so: Cartier-Bresson besuchte mich zu Hause und saß mir gegenüber, so wie Sie jetzt gerade. Wir fingen an zu reden, er nahm seine Kamera heraus und machte einfach ein paar Bilder. Das war aber wie eine Art Zauber.

Jetzt geben Sie selbst eine Fotografin. Haben Sie Ihre Erfahrungen als Modell eingebracht?
Nein, nein. Ich glaube ja, dass Film nichts mit Realität zu tun hat. Es dreht sich da um Imagination. Meiner Freundin Carole Bellaïche, einer Fotografin, ist allerdings aufgefallen, dass ich kleine Seufzer der Zufriedenheit ausstoße, wenn ich den Auslöser drücke. Das habe ich selber schon bei echten Fotokünstlern bemerkt. In solchen Momenten kommt etwas physisch aus ihnen heraus.

Mehr ist nicht dabei?
Doch, natürlich habe ich auch andere Sachen entdeckt. Als Cartier-Bresson zu mir kam, hatte er diesen Doppelblick. Er betrachtete mich gleichzeitig als Menschen und als Foto. Wenn Sie Fotografen beobachten, können Sie das immer feststellen. Es ist, als würden sie einen nie direkt anschauen. Tatsächlich sehen sie ja durch die Linse, und das fühlt man dann: Sie blicken durch einen selbst hindurch.

„I’m Not a F**king Princess“ gibt der Vergewaltigungsthese eine neue Bedeutung: Immerhin verkörpern Sie jemanden, der die eigene Tochter ausbeutet. Wollten Sie denn als Kind fotografiert werden?
Ich denke, schon. Zumindest war ich nie widerspenstig. Mein Vater hat eine Menge Fotos und Filme von mir gemacht. Natürlich kein Vergleich zur heutigen Zeit, in der fast das ganze Leben festgehalten wird, und am Ende zerfließt es ins Nichts. Als Kind hatte ich deutlich weniger Bilder, also bedeutete jedes einzelne sehr viel mehr. Und sie in einem Album anzugucken verschafft einem eine andere Sicht aufs Leben als am Computer oder Mobiltelefon.

Der Film ist autobiografisch motiviert, Sie spielen ja die Mutter der Regisseurin. Haben Sie dadurch Erinnerungen bei ihr geweckt?
Ja und nein. Wir sprachen nie über ihre Geschichte. Wir hatten eine stillschweigende Vereinbarung: Es war ihr Leben, aber ich durfte meine eigene Vorstellung davon entwickeln. Erst als sie Interviews zum Film gab und so hart über ihre Mutter sprach, wurde mir diese ganze persönliche Ebene richtig bewusst. Ich habe der Figur zwar auch Kanten gegeben und sie nicht gerade als herzlich dargestellt, doch sie kann auch lieben. Auf eine verrückte Art, zugegeben, aber immerhin. Eva Ionesco hat mir nie gesagt, ich solle ein Monster schaffen. Auch wenn ich heute weiß, dass sie ihre Mutter genau so wahrgenommen hat.

Sie haben ihr das Monströse genommen.
Ja, sie bleibt eben immer noch eine Mutter. Und der Film verneigt sich ja vor der Ästhetik ihrer Fotografie, er ist sehr märchenhaft und hat deshalb ganz andere Möglichkeiten: Ein Märchen kann die Menschen bei ihrer Fantasie packen, mit den Kostümen zum Beispiel, wie bei unserem Film. Oder mit einer Fee, die sich als Hexe entpuppt.

„I’m Not a F**king Princess“, ab 27. Oktober in deutschen Kinos