Streit um Beuys-Fotos wird zum Kunstwerk

Sieg der Fettecke

Bedburg-Hau (dpa/lnw) - Joseph Beuys hat der Kunstwelt nicht nur Honig und Filz hinterlassen, sondern auch die Fettecke. Und es ist dem Fotografen Manfred Tischer zu verdanken, dass die Nachwelt heute weiß, wie der weltbekannte Künstler (1921-1986) Margarine-Flecken herstellte.

Tischer dokumentierte 1964 eine live im ZDF übertragenen Aktion, bei der Beuys einen Turm von Margarine-Würfeln akribisch zu einer Fettecke in einem rechtwinkligen Bretterverschlag verstrich. Von der Aktion «Das Schweigen des Marcel Duchamp wird überbewertet» aus den Schwarz-Weiß-Zeiten des öffentlich-rechtlichen Fernsehens existiert heute keine Aufzeichnung mehr.

Erstmals nach einem Ausstellungsverbot vor knapp fünf Jahren sind jetzt die 22 Dokumentar-Fotos Tischers nun im Beuys-Museum Schloss Moyland zu sehen. Parallel zur Beuys-Aktion veranstalteten auch die Künstler Wolf Vostell und Bazon Brock damals im ZDF-Studio ein Happening. Sie ließen zum Beispiel junge Studentinnen, die im Mund große Räucherfische hielten, auf Fahrrädern herumfahren.

Beuys ist lange tot, aber er hätte vielleicht seine Freude daran gehabt, dass seine Fettecken-Aktion rund 50 Jahre später in ein rechtliches und künstlerisches Absurdistan führen sollte. Denn vier Jahre lang lieferten sich das niederrheinische Museum Schloss Moyland und die Verwertungsgesellschaft (VG) Bild-Kunst, die die Interessen der Künstler-Witwe Eva Beuys vertritt, einen Streit darüber, ob die Fotos ohne Genehmigung der Witwe ausgestellt werden dürfen. Letztlich siegte Moyland im Mai 2013 in höchster Instanz vor dem Bundesgerichtshof.

Der jahrelange Rechtsstreit ist nun selber zum Kunstobjekt geworden. Mit subversivem Humor hat das Schweizer Künstlerduo Caroline Bachmann & Stefan Banz den Text des Urteils des Landgerichts, vor dem Moyland 2010 in erster Instanz den Prozess verloren hatte, wandfüllend und in Gänze ausgedruckt. Alle Namen aber sind durch «X» ersetzt - so wie bei der Veröffentlichung im Internet. Da kommt der «Schöpfer X der X-Bewegung» vor, und es heißt: «X übertrug die Kunstaktion in Form eines dynamischen Prozesses ins Statische».

Im Klartext sollte das wohl heißen, dass Tischer nach Ansicht der Richter die Originalaktion unzulässigerweise umgestaltet hatte, indem er sie zweidimensional fotografierte. «Der Machtanspruch der Sprache lässt uns hilflos erscheinen», sagt die Kuratorin Barbara Strieder. «Hier treffen Positionen der Fotografen und Kunsthistoriker völlig unvereinbar auf die der Rechtsprechung.»

Marcel Duchamp (1887-1986), dem Beuys die Fettecken-Aktion widmete, war übrigens ein sehr freiheitsliebender Künstler, der den gängigen Kunstbegriff infrage stellte und gern mit Original und Reproduktion spielte. «Duchamp hat selber viel übernommen und geklaut», sagt die Künstlerin Bachmann.

Sie hat mit ihrem Kollegen Banz nach einer Vorlage von Duchamp neun überlebensgroße Blechfiguren auf Rädern hergestellt, die vor dem komplizierten Urteilstext stehen. Besucher sollen die Blechmänner hin- und herrollen, also das Kunstwerk selber mitgestalten. Das ist ganz im Sinne Duchamps. Wenn Beuys aber heute noch mal eine Fettecke Marcel Duchamp widmen wollte, müsste er erst dessen Erben um Erlaubnis fragen.