Bewegung im Fall Gurlitt

"Sitzende Frau" von Matisse kehrt zurück


München/Augsburg (dpa) - Seit Monaten kommt der Fall Cornelius Gurlitt mit all seinen Wendungen nicht aus den Schlagzeilen - jetzt aber gibt es so etwas wie einen Durchbruch: Wohl schon in der kommenden Woche soll ein Bild, das einst von den Nazis geraubt wurde und später in die Sammlung Gurlitt gelangte, zu seinen rechtmäßigen Besitzern zurückkehren. Die Rede ist von Henri Matisses «Sitzender Frau», die dem Fall Gurlitt gewissermaßen von Anfang an ein Gesicht gab. Dem jüdischen Kunsthändler Paul Rosenberg von den Nazis geraubt, befand sich das Bild einst im Besitz von Hermann Göring, bevor es später - über Umwege - in die Sammlung Gurlitt gelangte.

Nach jahrzehntelangem Kampf können Rosenbergs Enkelinnen Marianne Rosenberg, eine New Yorker Anwältin, und Anne Sinclair, die Ex-Frau von Dominique Strauss-Kahn, nun darauf hoffen, das Bild, das ihrem Großvater geraubt wurde, wieder in Empfang zu nehmen. Eigentlich sei alles geklärt, sagt Gurlitts Sprecher Stephan Holzinger. Es gehe nur noch um die formelle Einigung, die in der kommenden Woche wohl medienwirksam über die Bühne gebracht werden soll.

Dies ist der Höhepunkt einer Entwicklung, in der die Anwälte von Cornelius Gurlitt anscheinend die Regie übernommen haben. Seit der schwer kranke 81-Jährige, der seit Monaten im Krankenhaus liegt, unter Betreuung gestellt wurde, ist Tempo in den Fall gekommen, der die Kunstwelt seit November 2013 in Atem hält.

Mit der Ankündigung, eine Einigung mit den Rosenberg-Erben stehe kurz bevor, ignorieren Gurlitt und sein Team nicht nur die eigens eingesetzte Berliner Taskforce, die die Herkunft der Bilder klären soll. «Nein» sagt Sprecher Holzinger schlicht auf die Frage, ob es eine Zusammenarbeit mit dem Expertenteam von Ingeborg Berggreen-Merkel gibt. Die Anwälte setzen auch die Augsburger Staatsanwaltschaft unter Druck, die Gurlitts Sammlung 2012 - aus Sicht der Gurlitt-Anwälte völlig zu Unrecht - wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung und Vermögensdelikte beschlagnahmte.

Diese kündigte am Donnerstag an, einer Rückgabe an die Erben keinesfalls im Weg stehen zu wollen. «Die Staatsanwaltschaft wird, wenn eine entsprechende Vereinbarung vorgelegt wird, und der Betreuer des Beschuldigten mitteilt, dass aufgrund dessen das Bild herausgegeben werden darf, dies gerne tun», sagt Staatsanwaltschafts-Sprecher Matthias Nickolai. Bislang hatte die Staatsanwaltschaft die Herausgabe der Bilder, die unter Raubkunst-Verdacht stehen, abgelehnt. Bilder, die Gurlitt zweifelsfrei gehören, sollen ihm allerdings schon seit geraumer Zeit zurückgegeben werden.

Gurlitts Ankündigung der Rückgabe kommt sicherlich nicht zufällig zu einer Zeit, in der noch eine andere Entwicklung im Fall Schlagzeilen macht: Einmal mehr stellt sich nämlich heraus, dass Gurlitts Sammlung weit größer und wertvoller ist als bislang angenommen.

«Picasso im Geisterhaus» titelten einige Medien, als im Februar bekanntwurde, dass Gurlitt auch in seinem Salzburger Haus zahlreiche wertvolle Kunstwerke gehortet hatte. Eine Sensation. Jetzt ist aber klar: Die Sensation ist noch größer und der Fund von damals nur die Spitze des Eisbergs. Bei der Entrümpelung des Hauses am 24. und 28. Februar stieß das Beraterteam um den kranken alten Mann ein weiteres Mal auf einen bislang unbekannten Teil seiner Kunstsammlung. 238 Werke zählten sie insgesamt.

«Wir haben Werke, die unbeschädigt sind, und Werke, die der Restaurierung bedürfen», sagt Gurlitts Sprecher Stephan Holzinger am Donnerstag. Diese Werke, die er da nennt, sind Ölgemälde und Aquarelle von Monet oder Renoir, Manet oder Gauguin, Liebermann, Cézanne und Nolde, sowie Zeichnungen von Picasso und Munch. Gustave Courbets «Porträt von Monsieur Jean Journet» aus dem Jahr 1850 lag unbemerkt in dem heruntergekommen wirkenden Anwesen herum, wie die «Süddeutsche Zeitung» berichtet, die einen Blick in das neue geheime Depot in Österreich werfen durfte. Außerdem Max Liebermanns «Badeszene» und Claude Monets «Waterloobridge, en temps gris». Was die 238 Werke wert sind, darüber will Holzinger nicht spekulieren.

Die ermittelnde Augsburger Staatsanwaltschaft hat auf die Bilder, die nun an einem geheimen Ort verwahrt und restauriert werden, keinen Zugriff. Die österreichischen Behörden haben Amtshilfe verweigert.