So öffentlich ist privat heute

Die Schau „Free“ im New Museum beschäftigt sich zwar mit der Verbindung von Kunst und Internet – aber keine Angst, hier geht es nicht um nerdige Netzkunst alter Schule. Kuratorin Lauren Cornell will vielmehr die gesellschaftlichen Umwälzungen abbilden, die der Siegeszug des World Wide Web nach sich zieht. Wie lebt es sich in einem Exzess der Erreichbarkeit, wie noch Kunst machen in einem Meer von Bildern?

Dass eBay beim Bestücken möglichst absurder Installationen hilft, ist noch der nebensächlichste Befund, Hanne Mugaas gelingt jedoch eine gute Pointe, wenn sie ihr Sammelsurium von Internetkäufen „Secondary Market“ nennt. Absolut schlüssig wirkt das Google-Street-View-Werk von Jon Rafman. Er isoliert aus den Millionen von abfotografierten Straßenszenen aus aller Welt einige wenige. Da steht eine bleiche, nackte Frau in Italien am Meer, winken wütend ein paar Jugendliche von einer Mauer in Nordirland, brennt ein Haus in Arkansas, als wäre es ein Stück künstlerischer Dokumentarfotografie. Auch Trevor Paglen nutzt das öffentlich zugängliche Bilderreservoir, wenn er dem Staat seine Geheimnisse entreißt und Satellitenaufnahmen von geheimen Militäreinrichtungen zu hochästhetischen Tableaus vergrößert.

Angeregt durch die Open-Source-Kultur des Netzes, stellen viele Arbeiten der Ausstellung verschärft die Frage nach dem Original: Kunst ist mehr denn je Collage und Sampling. Ryan Trecartin und David Karp übernehmen nicht einmal mehr für die Inhalte Verantwortung. Sie stellen nur das Programm zur Verfügung, mit dem Benutzer Filme hochladen dürfen.

Öffentlichkeit entsteht heute paradoxerweise im Privaten, in der simultanen Erfahrung vieler – und ein populäres Album kann mehr mit einem allgemein zugänglichen Kunstwerk zu tun haben als eine Skulptur auf einem Platz, argumentiert der Künstler Seth Price. Sein Essay „Dispersion“ diente als Inspiration für „Free“ und hängt in Auszügen auf Plastiktafeln an der Wand. Ein interessanter Text, der allerdings die etwas verkrampfte Umwandlung in ein ausstellbares Werk nicht gebraucht hätte. Doch ansonsten glückt „Free“ immer wieder der Beweis, dass aus immateriellen Datenströmen spannende Kunst werden kann.

New Museum, New York, bis 23. Januar 2011