Am dreistesten tritt die Berliner Galerie Neugerriemschneider auf: Sie füllte ihre komplette Koje mit den völlig aus der Zeit gefallenen, neo-expressionistischen Gemälden des britischen Ex-Punks Billy Childish - und verkaufte ein Bild nach dem anderen. Ansonsten setzen die Händler auf der 41. Art Basel, die gestern für das Publikum öffnete, auf Solidität und sichere Werte – und wurden bislang mit einem deutlich wiederbelebten Käuferinteresse belohnt. Bianca Jagger wurde gesichtet, genauso der russische Milliardär Roman Abramovitsch, die Rubells aus Miami und zahlreiche andere internationale Sammler, aber übereinstimmend wurde eine Abkehr von Hype-Kunst konstatiert. Stattdessen zählen Künstler mit konzeptuellem Hintergrund, seriösen Karrieren und großen Museumsausstellungen: Sie dominieren nicht nur das Erdgeschoss, sondern auch die obere Etage mit der etwas jüngeren Kunst.
Zwar
wurde als erster Verkauf ein Picasso für 15 Millionen Dollar gemeldet
(Jan Krugier verkaufte die „Personnage" (1960) an einen europäischen
Sammler), insgesamt wird das Angebot im Bereich der klassischen Moderne aber
mittlerweile recht dünn, und so hat Andy Warhol Picasso als bevorzugtes
Handelsobjekt abgelöst: Nicht weniger als 28 der über 300 zugelassenen Galerien
haben ein Werk von ihm im Angebot. Ein großformatiger Neo Rauch, wie er auf
der Art Cologne noch eine Sensation darstellte, hängt hier bei Zwirner geradezu
unauffällig an der Außenwand der Koje; eine Nachricht wert war eher das Gemälde
von Luc Tuymans, das dort für 760 000 Dollar wegging. Bei Jablonka stand der
Galerist fröhlich auf einem seiner wichtigsten Exponate herum, Bodenplatten von
Carl André, die sich mühsam gegen die figurativen Schinken von Eric Fischl
behaupten. Ein emsig summender Sammlerauftrieb entstand an den Preview-Tagen bei Hauser &
Wirth, die in ihre Koje einfach mal alles hineinstellten, was die Galerie zu
bieten hat: mannshohe, braune oder silberne Skulpturen von Paul McCarthy (ein
„White Snow Dwarf (Sleepy)" verkaufte sich beispielsweie für 3 Millionen
Dollar), eine schöne Vitrine von Louise Bourgeois, Bilder von Roni Horn, Ida
Applebroog, Mary Heilmann – und einen Sack Hausmüll von Christoph Büchel, auch
der kostete noch 25 000 Dollar.
Andere
gaben sich auch kuratorische Mühe: Die Pariser Galerie 1900-2000 ließ sich
ihren Stand von Joseph Kosuth und Hiroshi Sugimoto gestalten, die Werke aus dem
Galerieprogramm in einer Gesamtpräsentation mit Linien und Schrift verbunden
haben.
Erkennbar
richtet sich die Art Basel nach dem amerikanischen Markt aus, die Amerikaner stellen die
meisten Galerien vor Deutschland, die viel beschworene Globalisierung der
Kunstwelt findet eher in den begleitenden Talks statt als beim wirklichen
Geschäft. Das aber läuft auch bei denen gut, die ihr Plätzchen eher am Rande
gefunden hatten wie Contemporary Fine Arts: Die Berliner Galerie, in kleiner
Koje, verkaufte sofort auf der Vernissage hervorragend, etwa eine
imposante Skulptur von Thomas Houseago und großformatige Gemälde von Gert &
Uwe Tobias.
Wer
Werke von Louise Bourgeois zu bieten hatte, rückt sie jetzt, nach dem Tod der Künstlerin, ins Rampenlicht:
Bei Chaim & Read ist eine schöne späte Zeichnungsserie mit Blumenmotiven für
eine Million Euro zu kaufen. Und natürlich taucht auch Polke auf: Michael
Werner zeigt auf der Art Unlimited seine „Laterna Magica“, ein Rundgang durch
einen Zyklus transparenter Bilder mit teils wunderbar sarkastisch verfremdeten
Märchenmotiven.
In
der großen Halle der Art Unlimited sind nach der krisenbedingten Zurückhaltung
des vergangenen Jahres wieder etwas aufwendigere Projekte zu sehen, wenn auch
nicht protzig: Exemplarisch zwei frühe Highlights der Arte Povera, ein
Labyrinth aus Papprollen mit einem Spiegel im Zentrum von Michelangelo
Pistoletto, ursprünglich 1969 entworfen (Galleria Continua) und ein Iglu von
Mario Merz (Konrad Fischer Galerie), die auch den großen Rollen, die
Michael Beutler für die Galerie Nagel in eine Ecke stapelte, einen historischen
Kontext gaben.
Großartig
ist auch die Installation von Doug Aitken für die Art Unlimited: „Frontier“ von
2009 ist eine technisch hochkomplete HD-Mehrkanalarbeit, bei der Ed Ruscha als
zentraler Protagonist durch ein assoziatives Bild- und Soundgewitter führt.
Bei den Nachwuchskojen, die auch in der Art-Unlimited-Halle untergebracht sind, fällt Kerstin Brätsch bei Balice Hertling auf. Die Vielfalt der Statements-Sektion findet sich auch bei den Nebenmessen von Liste bis Volta wieder. Die Liste in einer ehemaligen Brauerei am Rheinufer ergänzte ihre Eröffnung am Montagabend durch ein Performance-Projekt: Die deutsch-türkische Künstlerin Nezaket Ekici ließ sich in schwarzem Umhang gehüllt an den Füßen gefesselt kopfüber von einem Seil hängen und deklamierte mit lauter Stimme erschreckende Geschichten von Krieg und Missbrauch. Eine plakative Arbeit – aber um im Zentrum des Kunstmarktes in diesem Erholungsjahr Gehör auch mit schlechten Nachrichten zu finden, kann man schon mal etwas lauter werden.
Noch bis zum 20. Juni in den Messehallen von Basel. Mehr Informationen unter www.artbasel.com