Budapester Museum Ludwig unter Druck

Tauschen wir die Elite einfach aus ...

Am Ende hat alles nichts genützt: weder der Aufstand von Künstlern, Kuratoren und Galeristen noch die Briefe vom MoMA in New York und der Londoner Tate Modern, und selbst die Intervention der Stiftung Ludwig in Aachen blieb wirkungslos: Barnabás Bencsik muss seinen Posten als Direktor des Budapester Museum Ludwig räumen, als seine Nachfolgerin wurde Julia Fabényi bestimmt – die Wunschkandidatin der rechtsnationalen Regierung unter Viktor Orbán.

„Dieses Verfahren fügt sich in eine Reihe von Entscheidungen einer konservativen, ideologisch geleiteten Kulturpolitik, die sich vorgenommen hat, die ganze Kulturelite auszutauschen“, sagt Dóra Hegy vom Aktionsbündnis „Zusammenschluss für die zeitgenössische Kunst“, das das Museum Ludwig Mitte Mai besetzt hatte. Hegy bemängelt „mangelnde Transparenz beim Ausschreibungsverfahren und die Zusammensetzung der Vorschlagsjury, die nicht mit Fachleuten besetzt wurde, sondern mit Kulturbürokraten“. Der Vorgang, so Kritiker, glich mit seinen Termin- und Verfahrenstricksereien einer Farce.

Barnabás Bencsik gilt als renommierter, international vernetzter Ausstellungsmacher. Eine Verlängerung seines Vertrags, der bereits im Februar auslief, schien lange Zeit reine Formsache. Noch Ende Mai war Walter Queins, der geschäftsführende Vorstand der Aachener Stiftung Ludwig, nach Budapest gereist, um sich für den bisherigen Direktor starkzumachen. Die Stiftung hat offiziell kein Mitspracherecht bei Personalentscheidungen, hoffte aber auf ein Einlenken der ungarischen Behörden. Vergeblich. Der zuständige Minister Zoltán Balog soll Queins in einem Gespräch lediglich die fachliche Kompetenz der neuen Direktorin zugesichert haben.

Hetze gegen die vermeintliche Dominanz der „Linksliberalen“

Seit Orbáns Amtsantritt im Mai 2010 erlebt Ungarn eine radikale kulturpolitische Umgestaltung. Das Führungspersonal in öffentlichen Kultureinrichtungen wurde weitgehend ausgetauscht, die Medienlandschaft umstrukturiert. Als neues Machtzentrum wurde die ungarische Kunstakademie MMA installiert: eine Privatakademie, die unter Orbán auf Verfassungsrang gehoben wurde und jetzt als Schattenministerium agiert. Es gibt Hetzkampagnen gegen die vermeintliche Dominanz der „Linksliberalen“, Kritiker wie die Schriftsteller György Konrád und Ákos Kertész erleben nationalistische und antisemitische Anfeindungen, prominente Kulturschaffende wie der Generalmusikdirektor der Staatsoper, Ádám Fischer, traten aus Protest gegen Orbán zurück.

Auch die bildenden Künste stehen massiv unter Druck. Ende 2012 erst legte der Leiter der wichtigen Budapester Kunsthalle, Gábor Gulyás, sein Amt nieder. Auslöser war der Streit um eine Ausstellung über nationale Identität. Gulyás hatte in dieser Schau konservative Positionen gezeigt, aber auch ironische Beiträge: Paprikapulver, in Bahnen gelegt wie Kokain; Neil Armstrong mit ungarischer Flagge auf dem Mond ... Harmlose Arbeiten, doch im heutigen Ungarn genug für einen folgenreichen Skandal.

„Ich pfeife auf diese moderne Demokratie“

György Fekete, der ultrakonservative Präsident der Kunstakademie MMA, sah in der Ausstellung eine Beleidigung des Ungarntums: „So was können Privatgalerien machen, aber nicht die Leiter staatlicher Museen“, polterte der 80-Jährige. Zudem solle es „in staatlichen Institutionen keine Beleidigung der Kirche geben“. Angesprochen auf die Trennung von Staat und Kirche in modernen Gesellschaften, entgegnete er: „Ich pfeife auf diese moderne Demokratie.“ Auch eine Reaktion von Ministerpräsident Viktor Orbán ließ nicht lange auf sich warten. Er entschied, die Kunsthalle künftig der MMA zu unterstellen. Gábor Gulyás trat daraufhin zurück.

Feketes MMA saß jetzt auch in der Vorschlagsjury für den Direktorposten am Museum Ludwig.