Zum Tod von Kunstkritiker Thomas Wulffen

Der Suchende

Er war "Kunstbetriebler" im besten Sinne und prägte unter anderem die Anfänge der Berliner KunstWerke. Nun ist der Kritiker und Kurator Thomas Wulffen nach langer Krankheit mit 69 Jahren gestorben

Thomas Wulffen hat die Kunst gelebt - selten stimmt die Formulierung so sehr wie bei wie diesem Kritiker, Kunsttheoretiker und Kurator. Er war im positiven Sinne ein "Getriebener" im weiten Feld der zeitgenössischen Kunst und hat dort seit Mitte der 1980er-Jahre entscheidende Impulse gesetzt, die bis heute im "Betriebssystem Kunst" spürbar sind. Den Begriff hat Thomas Wulffen Ende der 1980er-Jahre selbst geprägt. Und nicht zuletzt war er ein früher Inbegriff des "Freelancers", der aus der Notwendigkeit, den Lebensunterhalt in unterschiedlichen Bereichen der Kunstwelt verdienen zu müssen, eine Tugend machte und eben dadurch zu so etwas wie einem Vorbild für die nachfolgende Generation wurde. Man lernte von ihm.

Thomas Wulffen begann als Schreiber. Er arbeitete für den Berliner "Tagesspiegel", später dann für Kunstmagazine wie "Flash Art", "Noema" und das "Artist Kunstmagazin". Mehrere Bände konzipierte Wulffen für das "Kunstforum International", etwa 1987 die wegweisende Ausgabe "Realkunst- Realitätskünste". Auch für die "Berliner Seiten" der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" schrieb er regelmäßig. Von 1993 bis 1994 gab er selbst die Kunstzeitung "Below Papers" mit heraus. In seinem Wohnort Berlin war er zudem jahrelang auch für die Kunstseiten des Stadtmagazins "Zitty" verantwortlich.

Als Kurator hat Thomas Wulffen immer wieder wichtige Ausstellungen konzipiert, so zum Beispiel 1992 "Conceptual Debt – Art in Ruins" im Berliner Ausstellungsraum des DAAD oder "Laboratorium Berlin-Moskau" im Contemporary Art Center Moskau. Dabei suchte er immer engagiert die Nähe zu den Künstlern: Sei es, dass er mit ihnen zusammen kuratierte (wie etwa mit Monica Bonvicini), oder dass er sich als Katalogschreiber intensiv mit ihren Arbeiten auseinandersetzte.

Die Grenze zwischen Theorie und Praxis war durchlässig

Anfang der 90er-Jahre gehörte er dann auch zu den "Kunstbetrieblern", die in der Anfangszeit der Berliner KunstWerke diese ehemalige Margarinenfabrik in Mitte als autonomen "Ort für Produktion und Diskurs" (Dellbrügge & de Moll) betrieben, bevor er dann unter der Leitung von Klaus Biesenbach zu einer Ausstellungshalle umfunktioniert wurde.

Auch kulturpolitisch war Thomas Wulffen tätig, so war er von 2008 bis 2011 Präsident der deutschen Sektion der internationalen Kritikervereinigung AICA. Seine beiden Brüder Christian Wulffen und Stephan Schmidt-Wulffen sind ebenfalls im "Betriebssystem Kunst" zu Hause, ersterer als Künstler, zweiterer als Kunsthistoriker und Kurator, der in den 1990er-Jahren als Direktor des Kunstvereins in Hamburg nicht nur der Relationalen Ästhetik in Deutschland den Weg geebnet hat. Mit 69 Jahren ist Thomas Wulffen jetzt nach langer Krankheit gestorben.

Wie seine Mitstreiter Christiane Dellbrügge und Ralf de Moll es ausdrücken: "Wir verdanken Thomas viel und haben gern mit ihm zusammengearbeitet – sei es bei der D&S Ausstellung in Hamburg 1989, Minimal Curating in Leipzig 1993 oder dem gemeinsamen Zeitschriftenprojekt 'Below Papers' in den KW 1993/94. Die Grenze zwischen theoretischer Produktion und künstlerischer Praxis war für Thomas durchlässig. In seiner aktiven Zeit haben wir ihn als Suchenden erlebt. Wir vermissen ihn."