Interview

Tobias Rehberger und Jürgen Mayer H. auf der CeBIT

Herr Rehberger, Herr Mayer H., was hat Sie daran gereizt, eine Halle auf der CeBIT zu gestalten?
Jürgen Mayer H: IT-Messen sind für uns interessant, weil digitale Technik ein wichtiger Teil unserer Arbeit und Auseinandersetzung mit Raum ist: für den Gebrauch von Medien in unseren Projekten, im Entwurfsprozess unserer Arbeiten und in der Realität unserer Städte. Insofern war es für uns spannend, über die Form nachzudenken, wie solche Innovationsmedien präsentiert werden.
Tobias Rehberger: Mich interessiert die CeBIT vor allem als Messe: Wie wird damit von der objekthaften Seite umgegangen? Da können wir noch so virtuell sein, am Ende muss doch jemand vor Ort sein, und der braucht einen Hocker und eine Wand. Ausschlaggebend war bei mir auch, dass es um junge, kleine Firmen geht, die sich da im guten Sinne parasitär an die Messe andocken.
 
In die von Ihnen gestaltete Halle sind Finalisten des Wettbewerbs Code_n12 eingeladen, Geschäftsideen rund um mobile IT-Anwendungen vorzustellen …
TR: Wir kennen das Klischee: Man fängt in der Garage an und bastelt sich den ersten Apple-Computer.
JMH: Uns war wichtig, Innovation auch räumlich darzustellen: Transparenz und Durchbrüche schaffen und Konventionen aufbrechen.
 
Wie sind Sie vorgegangen?
TR: Ausgangspunkt unserer Überlegung war eine fiktive verlassene Messehalle mit ihren Kabinen. Dann haben wir mit der geistigen „Kettensäge“ die vorhandenen Raumstrukturen penetriert. Die Grenzen der Stände sind mit farbigen Linien markiert, die Wände überschreiten und sich neue Wege suchen, sich überschneiden. Wir haben alles komplett silberfarben gestrichen und umlackiert und damit einen adäquaten Raum für Andersartigkeit geschaffen.
JMH: Interaktion findet dadurch statt, dass wir Überschneidungen von Raumstrukturen und Ausstellerflächen geschaffen haben. In diesem territorialen Konflikt entstehen Nachbarschaften, die produktiv sein können. Große Buchstaben, die sich aus den Wänden entwickeln, markieren als Supergrafik und architektonisches Element die Standorte der Kojen. Sonderbereiche wie die Lounge oder der Vortragsbereich sind farblich gekennzeichnet. Unser Ziel war es nicht, eine herkömmliche Halle mit Gängen zu schaffen, sondern eine Insel auf der Messe, die frei innerhalb der anderen Hallen steht. Eine Art Labyrinth, durch das man sich bewegt: Der Besucher geht in die Struktur hinein und kann sich darin verlieren. Da es bei dem Wettbewerb um mobile Anwendungen geht, spielen Fragen der Orientierung und Navigation auch bei unserer Gestaltung eine Rolle.
 
Was interessiert Sie als Architekt an mobilen Lösungen, Herr Mayer H.?
JMH: Das erste Mal, dass wir uns mit diesem Thema intensiv auseinander gesetzt hatten, war im Rahmen des Audi Urban Future Award vor zwei Jahren. Dabei haben wir untersucht, wie Navigationssysteme und automatisiertes Fahren in Kombination mit sozialen Medien unsere Raumwahrnehmung verändern kann. Auch so eine Messe wie die CeBIT ist fast wie eine kleine Stadt, bei der man sich durch die Präsenz der verschiedenen Anbieter navigiert, wo es Versammlungsorte, break-out-areas, Besucherströme und ähnliches gibt. Architektur und Stadt sind nicht mehr ohne mobile digitale Anwendungen denkbar, und das betrifft unsere Mobilität, unsere Kommunikation, unsere Orientierung in der Stadt, die Präsenz und Benutzungsmuster öffentlicher Räume - unser gesamtes soziale Leben.
 
Sie haben zum ersten Mal zusammen gearbeitet. Haben Sie in der Arbeit Unterschiede feststellen können zwischen der Herangehensweise eines Architekten und eines Künstlers?
JMH: Eigentlich nicht. Wir hatten zwar verschiedene Schwerpunkte, die uns am Herzen lagen. Aber der Entwicklungsprozess lief durchweg gemeinsam ab.
TR: Pingpongartig.
JMH: Schließlich verfolgen wir beide einen disziplinübergreifenden Ansatz.
 
Herr Rehberger, spätestens seit Sie 2009 auf der Venedig-Biennale einen Goldenen Löwen für die Gestaltung einer Cafeteria gewonnen haben, wird Ihnen diese Frage häufiger gestellt: Was reizt Sie an angewandter Kunst, in diesem Fall an Messebau?
TR: Ich beschäftige mich gerne mit Dingen, die neu für mich sind. Gibt es an einem erst einmal mir fremden Thema irgendwelche Dinge, die mich interessieren? Und kann man die so herausarbeiten, dass sie andere auch interessieren? Kunst ist ja auch immer angewandt: Dass Kunst kein Zweck hat – diesen Satz kann ich nicht mehr hören. Das ist so etwas von hanebüchen, da habe ich fast keine Lust mehr darüber zu reden.

Code_n12 in Halle 16 auf der CeBIT, 6. bis 10. März