Unerhört originell: Die Audioarbeiten von 566 in Berlin lebenden Künstlern

Wie reist man am weitesten und schnellsten? Erlebt die seltsamsten Dinge? Findet die schönsten Bilder? Versierte Erzähler haben dafür schon immer eine gute Antwort: Durch Worte – dann entstehen die Bilder im Kopf. Daran muss auch die Künstlerin Karin Sander gedacht haben, als sie für die Temporäre Kunsthalle Berlin die Ausstellung „Zeigen“ konzipierte. Den weiten Kubus der Kunsthalle ließ sie völlig leer bis auf die Namen der teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler, die in Augenhöhe auf der weißen Wand standen – nicht weniger als 566 waren es. Zu jedem Namen fand sich eine Zahl, die man in ein Audioguide-Gerät eintippen konnte, um das dazugehörige, meist circa zweiminütige Hörwerk in Gang zu setzen.

Eine „Audiotour durch Berlin“ hatte der Untertitel der Ausstellung angekündigt, aber die Beiträge, die Sander seit 2003 in ihrem privaten Archiv zusammengetragen hat, beschränken sich keineswegs auf das Format der einfachen Stadtbeschreibung. Einige übersetzen Werke sehr direkt in Worte: Die Norwegerin A  K  Dolven erzählt, wie sie sich zur Zeit des Mauerfalls 1989 für einen ihrer Filme nackt auf einem Berliner Balkon filmte, und die Geschichte „Mein erstes Ballkleid“ der Berliner Künstlerin Käthe Kruse handelt von einer spektakulären Robe mit der Wabenstruktur eines Fußballs, die sie anlässlich einer Weltmeisterschaftsperformance nähen ließ.

Katharina Sievering dagegen erstaunt kommentarlos mit einem Technotrack, Thomas Rentmeister mit bodenständigen Blasmusikaufnahmen aus einer „Gemütlichkeitshütte“, Kerstin Cmelka trägt einen schicken Elektropopsong über den „East German Moustache“ bei. Und Gregor Schneider, hintersinnig wie immer, präsentiert unter dem Titel „Kopfgeräusch“ schlicht das Rauschen des Nichts.

Das schönste Bild gaben aber die Besucher ab: stehend, sitzend, herumspazierend, immer aber versonnen in sich und die verschiedenen Beiträge hineinhorchend; alle gleichzeitig in einem Raum, aber in verschiedenen Welten. Hörspielfans wissen schon länger, wie das geht – für das Kunstpublikum war „Zeigen“ eine echte Überraschung.

 

Temporäre Kunsthalle Berlin, 5. Dezember 2009 bis 10. Januar