Ideen-Kolumne

Ungelegte Eier (11)

Bauhaus-Lampen

Unser Kolumnist Friedrich von Borries begibt sich auf Exkursion zu den Bauhaus-Stätten in Weimar, Dessau und Berlin, um zu verstehen, was von den Hun­dert-Jahr-Fei­erlichkeiten übriggeblieben ist. Und etwas Gutes zu Essen gibt es natürlich auch

Bislang habe ich immer mehr oder weniger prominente Akteure der Kunst- und Kulturwelt zu mir nach Hause eingeladen. Doch dieses Wochenende bin ich mit Studierenden von der Hochschule für bildende Künste Hamburg (HFBK) unterwegs. Zehn junge Menschen, Potenzial statt Prominenz.

Ein Jahr lang haben wir uns mit dem Bauhaus beschäftigt, Werke kennengelernt, Sekundärtexte gelesen, Biografien recherchiert, was man halt so macht, wenn man mit Studierenden Inhalte zu erarbeiten versucht. Was war das Bauhaus, wie wird es rezipiert, was kann es uns heute noch sagen, so lauteten die Kernfragen. Zum Abschluss soll es zu den "Bauhaus-Orten" gehen. Neben den historischen Originalgebäuden in Weimar und Dessau wollen wir auch die großen Jubiläumsausstellungen ansehen, außerdem wurden in Weimar und Dessau neue Bauhaus-Museen gebaut. Berlin wollte auch, ist aber nicht rechtzeitig fertig geworden. Alles normal also.

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Die Exkursion beginnt in Weimar, dem Ort, an dem das Bauhaus gegründet wurde. Haus am Horn, klar und dann ab ins neue Bauhaus-Museum. Ein einprägsamer Besuch, wie ein Studierender signifikant zusammenfasst: "Für mich das wichtigste Erlebnis: Weimar. Man betritt das Bauhaus-Museum. Gedämpftes, seifiges Licht, um die Originale zu schützen, eine Intro wie Wiki, scharfes Wachpersonal, dann eine Sammlung wie aus der Gemischtwarenhandlung und Besucher mit: 'Oh, ein Kandinsky!' Doch: Nix Kandinsky. Meine penetranten und mehrfachen Rückfragen ergaben: alles Reproduktionen, alles Faksimiles, alles real fake. Wirklich nichts Echtes!"

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Weiter geht es nach Dessau. Meisterhäuser, Bauhaus-Museum, Bauhaus-Gebäude. Im neuen Bauhaus-Museum sind die Studierenden geschockt, das Museum sei "wie ein Sarg", eine große Kiste in einer ansonsten recht toten Stadt. Und auch wenn die Ausstellung gut besucht ist, kann sich keiner vorstellen, wie hier Leben in die Bude kommen soll, wenn der Hype rund um das Jubiläum abgeflacht ist. Aber alle sind begeistert vom historischen Bauhaus-Gebäude, wenngleich keiner versteht, warum dort manche Räume einfach leer sind, andere halbherzig historisch rekonstruiert und wieder andere mit zeitgenössischen, "bauhaus-mäßig"-minimalistischen Möbelobjekten ausgestattet sind, deren Funktion aber etwas im Unklaren bleibt. Große Freude hatten aber alle an einer Zimmerpalme, die – angeblich – von einer ansonsten schon abgebauten Ausstellung übrig geblieben ist.

Zum Abschluss dann Berlin, allerdings nur in die Ausstellung "original bauhaus" in der Berlinischen Galerie, die dem Berliner Bauhaus Archiv als Ausweichquartier diente. Die Studierenden sind erschöpft, schließlich waren sie in Dessau noch auf der Jahresabschlussfeier der dortigen Hochschule, und überhaupt, drei Museen in drei Tagen … Kurzum: Die Aufnahmefähigkeit ist erschöpft. Wie auch in Dessau sind die Studierenden hier und da von einzelnen Exponaten begeistert, während anderes auf Unverständnis stößt, vor allem der Versuch, durch zeitgenössische Kunstwerke das historische Bauhaus zu aktualisieren. Ich fand gerade die toll, aber es scheint:  Je weiter das Bauhaus biografisch entfernt ist, desto weniger besteht die Notwendigkeit, es zu "aktualisieren", um so mehr kann man es als historisch, abgeschlossen, vergangen annehmen.

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Ich bin in den drei Tagen also auch ins Grübeln gekommen. Vor allem, weil jeder der drei Bauhaus-Orte versucht hat, alles richtig zu machen. Jede Ausstellung ist ausgewogen, multi-perspektivisch, vielschichtig. Und natürlich total informativ. Und deshalb irgendwie langweilig. Keine Position, keine Haltung wird erkennbar, der man zustimmen oder die man ablehnen kann. Keine Provokation, keine mutige Interpretation, keine Behauptung. Man lernt zwar hier und da etwas Neues, eine weitere Facette öffnet sich, aber man kann sich über nichts streiten, weil alles so richtig ist – aber eben auch irgendwie nichtssagend.

Spaß gemacht hat es natürlich trotzdem. Auch weil es in Dessau super Essen gibt, und zwar bei Tobias Felger im "Tobi or not to be". Über den Namen des Restaurants kann man sich wundern, etwas provinziell irgendwie, aber das Essen ist tip top, und der Koch und Betreiber ein im positivsten Sinne Verrückter, der mit Freude den Studierenden jeden Gang erklärt. Er hat eine Haltung, die provoziert, und über die man sich deshalb herrlich streiten kann. Und dabei auch noch gut schmeckt.

Bauhaus