Kunstfälscher-Prozess

Viele Fragen bleiben offen

Nur neun Verhandlungstage brauchte das Kölner Landgericht, um das wohl größte Kunstfälscher-Verfahren der Nachkriegszeit in Deutschland zum Abschluss zu bringen. Ein «Deal» zwischen Richter, Staatsanwälten und Verteidigern machte es möglich: Im Gegenzug für ihre Geständnisse bekommen die vier Angeklagten Strafrabatt. Zwischen zwei und sechs Jahren Haft wurden als Höchststrafen vereinbart. Keiner der 168 benannten Zeugen wurde vor Gericht geladen. Am Donnerstag wird das Urteil gesprochen.

   Der Fälscher Wolfgang Beltracchi (60) und seine Frau Helene (53), die seit mehr als einem Jahr in Untersuchungshaft sitzen, können ein wenig aufatmen. Ohne die Absprache hätten ihnen neun bis zehn Jahre Haft gedroht. Erst im Juni war im Stuttgarter Prozess um 1000 gefälschte Giacometti-Skulpturen ein Hauptangeklagter zu neun Jahren Haft verurteilt worden.

   Ohne die Geständnisse, das räumte Staatsanwältin Kathrin Franz ein, hätte ein langwieriger Indizienprozess gedroht. Womöglich hätte man Beltracchi gar nicht nachweisen können, dass er den Fälscherpinsel führte. Erleichterung könnte den Beltracchis auch verschaffen, dass die Ermittlungen in allen 41 weiteren Fällen, die gar nicht zur Anklage kamen, eingestellt werden sollen.

   Für das Gericht ist das Verfahren mit dem Urteil erledigt. Warum renommierte Auktionshäuser und Kunstexperten viele Jahre auf Beltracchi hereinfielen, wird nicht geklärt. Die Usancen des internationalen Kunstmarkts aufzudecken, war nicht die Aufgabe des Gerichts.

   Wolfgang Beltracchi zielte nach eigenen Worten mit seinen Fälschungen von Meistern der Avantgarde dorthin, «wo die Gier am größten ist». Und er fand die Achillesferse des Marktes: die Experten. Eklatante Widersprüche zum Beispiel in der von Beltracchi erfundenen Herkunftslegende um den angeblich kunstsammelnden Großvater Werner Jägers fielen den Fachleuten angeblich nicht auf. Jägers hätte demnach schon mit jugendlichen 17 Jahren bei dem berühmten Galeristen Alfred Flechtheim Kunst eingekauft. «Die Logik hat nicht immer die stärksten Karten, wenn viel Geld im Spiel ist», sagte Staatsanwältin Franz.

   Der Kunstmarkt machte es den Fälschern leicht, resümierten sowohl Anklage als auch Verteidiger. «Wir haben viel gehört von interessengeleiteten Experten, die nicht nur Expertisen erstellen, sondern selber verkaufen, vermitteln und Provisionen erhalten», sagte Beltracchis Verteidiger Christian Rode in seinem Plädoyer.

   Nur am Rande wurden in dem Prozess die teilweise exorbitanten Wertsteigerungen der Fälschungen bei Weiterverkäufen, Handschlaggeschäfte und aus einem einzigen Satz bestehende Echtheitsgutachten gestreift. Der Kunsthandel funktioniere wie der Handel mit faulen Finanzprodukten, sagte Verteidiger Ferdinand Gillmeister: «Alle wollten nur handeln, keiner hat reingeschaut in die Pakete.»

   Trotz der schwerwiegenden Vorwürfe bot der Kölner Fälscher-Prozess den Stoff für eine Krimikomödie - nicht nur wegen der dreisten Betrugsmasche. Beltracchi, ein ehemaliger Hippie, der das Kunststudium abbrach und mit seinem lockigen Grauhaar wie ein alternder Malerfürst aussieht, sorgte immer wieder für Lacher. Ob Beltracchi am Ende sogar seine eigene Vita plagiiert hat, wird wohl nie geklärt. Seine Ausführungen, er sei als 14-Jähriger von seinem Vater «entdeckt» worden, ähneln jedenfalls stark der Biographie Picassos. (Dorothea Hülsmeier, dpa)