4. Bukarest Biennale

Vom tätigen Leben

Verlassene oder niemals fertig gestellte Häuser stehen inmitten einer laut rauschenden Stadt, deren Körper zu schlafen scheint, die aber doch eine enorme Lebendigkeit versprüht. Der Parlamentspalast, das ehemalige „Haus des Volkes“, das der Diktator Nicolae Ceausescu errichten ließ, gleicht heute einer leer stehenden Festung. An diese Ambivalenz zwischen dem passiven und zugleich aktiven öffentlichen Raum der rumänischen Hauptstadt fühlt sich der Besucher der vierten Ausgabe der Bukarest Biennale (BB4) vielleicht erinnert. Ângela Ferreiras Fotoserie „Abandoned Settler’s House“ etwa, eine Folge dokumentarischer Fotografien von einer unbelebten Architektur, welche die Künstlerin auf der Insel Benguérua nahe Mosambik vorgefunden hat, scheint die beim Rundgang durch Bukarest gewonnenen Eindrücke zu spiegeln.

„Handlung. On Producing Possibilities“, lautet das Thema der Biennale, mit dem Kurator Felix Vogel die vielseitigen Bedeutungsformen des Handlungsbegriffs zu skizzieren, und – in Rückbezug auf Hannah Arendts Begriff der „Vita activa“ – auch neu zu deuten sucht. Vogel, Jahrgang 1987, hat 37 international agierende Künstler eingeladen, um vor dem Hintergrund der Stadt Bukarest die Semantiken der Handlung in einen bildhaften Diskurs zu stellen. Sechs unterschiedliche Orte bilden ein Forum für die BB4, das sich in institutionellen und auf freien Präsentationsplattformen entfaltet. 

"Can we talk?" - "Nein, danke!"
Einer der Hauptschauplätze ist das Nationale Geologische Museum. Wo sonst Gesteine und Kristalle zu sehen sind, werden nun Sedimente sozial-politischer Missstände präsentiert. Der rumänische Künstler Ion Grigorescu zeigt in einer Folge von Fotografien Szenen einer 1975 in Bukarest abgehaltenen politischen Demonstration und reflektiert damit die Farce eines damals als sozialistisch deklarierten Staates. Andrea Geyers Video „Criminal Case 40/61: Reverb“ bringt hingegen den 1961 in Jerusalem durchgeführten Eichmannprozess in Erinnerung. Von nur einem Schauspieler werden hier sechs Charaktere verkörpert, die aus verschiedenen Perspektiven – als Angeklagter, Richter oder eines Journalisten – den Verlauf des Prozesses schildern.

Manche Exponate wirbelten allerdings wohl zuviel Staub auf für eine gediegene Institution wie das Geologische Museum: Die Arbeit „Tit for Twat: Can we talk?“ von Kaucylia Brooke jedenfalls wurde vom Ausstellungshaus als zu „pornografisch“ erachtet und in letzter Minute zensiert – absurd, sind doch in Bukarest nackte Körper auf Werbeplakaten allgegenwärtig. Mit Brookes Fotoserie wurden schließlich ganze Präsentationsräume den Biennale-Machern verweigert, was dazu führte, dass eine Vielzahl der für das Museum vorgesehenen Arbeiten dort auf engem Raum untergebracht werden mussten.

Neben dem 2008 eigens von der Biennale-Direktion eröffneten Ausstellungsraum Pavillon Unicredit (einem ehemaligen Bankgebäude), jetzt mit Installationen von Goldin+Senneby oder Sabrina Gschwandtner, sind es noch zwei weitere der in Bukarest nur in geringer Zahl bestehenden Räume für zeitgenössische Kunst, die der BB4 als Bühne dienen. Das Centre for Visual Introspection mit Arbeiten von Martin Beck ist einer davon. Paradis Garaj, eine in einem Hinterhof inmitten Bukarests Zentrum gelegene Garage, ein anderes. Ausschließlich drei Videos der britischen Künstlergruppe The Otolith Group sind hier aufeinanderfolgend in einer beinahe isolierten Raumsituation präsentiert, die gerade einmal Platz für ein Auto bietet. Viel Zeit sollte man für das Betrachten der doch relativ langen Filme mitbringen. Das Kommunikationszentrum laBOMBA bietet demgegenüber als Freiraum eine Plattform für Diskussionen und Projekte, die begleitend zur Biennale in Kooperation mit Institutionen vor Ort stattfinden.


Die ideologische Antike
Sehr feinsinnig umspannt auch das Institute of Political Research – eine Fakultät für Politikwissenschaften der Universität Bukarest – die Thematik der BB4. „Handlung“ wird in den hier gezeigten Exponaten durch eine pointierte Betrachtung von Sprache, Bewegung und im Alltag eher unbeachteten Details des Lebens fokussiert. Ausschnitte aus Alexander Kluges Film „Nachrichten aus der ideologischen Antike: Marx – Eisenstein – Das Kapital“ treten dabei in eine fruchtbare Korrespondenz mit Malerei, Fotografien und einem Pop-up-Buch über Bukarests „Goldenes Zeitalter“ von Stefan Constantinescu. Diese Werke stehen auch in Bezug zu einer Video-Text-Arbeit von Nicoline van Harskamp, die am Tag der Eröffnung von ihr und einem Schauspieler als Performance dargeboten wurde: Die niederländische Künstlerin kommentierte dabei in einem inszenierten, auf Rumänisch geführten Dialog den Einsatz und die Wirkungsweise von Sprache, vor allem die weltweite Verwendung des Englischen als „Lingua Franca“, als Gemeinsprache.

Wie „Handlung“ – im Sinne von Tun, Vollziehen, Geschichten erzählen – nun das Politische im Leben verändern, anregen, ja, präsent machen kann, wird bei der BB4 nicht nur als theoretische Überlegung ausformuliert. Es ist vor allem das Zusammenspiel von Exponaten, Raumkompositionen und Ausstellungsorten, die in Allianz mit der Stadt Bukarest die im Untertitel der Schau eingeforderten Möglichkeiten präsent werden lässt. Sie sind nicht nur zwischen den Zeilen, sondern vor allem auch zwischen den Häusern dieser Stadt zu lesen.

Bis 25. Juli 2010, an verschiedenen Orten in Bukarest