Malerin Marie Ellenrieder

Vor 200 Jahren erste Frau an deutscher Kunstakademie

Konstanz (dpa) - Schon lange vor der Emanzipationsbewegung des 20. Jahrhunderts gab es Karrierefrauen, die entgegen dem gesellschaftlichen Ideal ganz für ihrem Beruf lebten. Eine davon ist Marie Ellenrieder (1791–1863): Vor 200 Jahren erkämpfte sie sich als erste Frau einen Studienplatz an einer deutschen Kunstakademie. Wie die junge Frau aus der Provinz entgegen aller gesellschaftlichen Konventionen Karriere machte, zeigt nun die Ausstellung «Einfach himmlisch» in Konstanz am Bodensee.

   Zum 150. Todestag der Künstlerin haben Mitarbeiter der städtischen Wessenberg-Galerie und des Rosgartenmuseums die Depots durchstöbert, Briefe gelesen und Tagebücher studiert. Herausgekommen ist ein Bild, das so gar nicht zu der frömmelnden Katholikin vom Bodensee passt, die Ellenrieders Biografen im 19. Jahrhundert von ihr zeichneten.

   «Ellenrieder war eine absolute Vorreiterin und wurde mit den größten Talenten ihrer Zeit verglichen», sagt Ausstellungsmacher Tobias Engelsing. Sie habe sich ganz bewusst gegen Ehe und Kinder entschieden. Ellenrieder habe ihr Talent als göttliche Gabe und Verpflichtung gesehen und sei in ihrer Arbeit völlig kompromisslos gewesen.

   Die Voraussetzungen dafür waren günstig. Ellenrieder war die jüngste von vier Töchtern des gut situierten bischöflichen Hofuhrmachers Konrad Ellenrieder. «Das Erbe wurde unter den Mädchen verteilt und nicht wie damals üblich auf einen Jungen übertragen», sagt Engelsing. Der Konstanzer Generalvikar Ignaz Heinrich von Wessenberg bemühte sich wohl persönlich beim bayerischen König um einen Studienplatz für sie.

   Obwohl es damals bereits bekannte Künstlerinnen gab, wie die aus dem Bregenzer Wald stammende Angelika Kaufmann, mit der die Konstanzerin oft verglichen wurde, war Ellenrieder 1813 die erste Frau, die als Studentin an einer deutschen Kunstakademie zugelassen wurde. Nicht alle Herren der Schöpfung waren über die Konkurrenz begeistert. Die besten Plätze hätte man den Damen überlassen müssen, monierte ein Kommilitone. Denn schon bald folgten andere Frauen wie Louise Seidler und die heute eher in Vergessenheit geratene Katharina von Predl. Mit beiden war Ellenrieder später befreundet.

   Dass sie als Frauen von den Aktkursen ausgeschlossen waren, störte die Damen wenig. Sie organisierten sich kurzerhand auf eigene Faust Nacktmodelle. Doch der durch Ellenrieder ausgelöste Aufbruch in der weiblichen Kunstszene währte nicht lange. 47 Frauen können in den folgenden Jahrzehnten noch an der Akademie studieren. «Doch im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts machten die Männer wieder dicht», berichtet Engelsing. Erst mit der Weimarer Reichsverfassung von 1919 erlangen Frauen wieder die gleichen Zugangsberechtigungen zur Kunstakademie.

   Für Ellenrieder ging es nach dem Studium steil bergauf: Sie porträtierte die Adelsfamilien Fürstenberg und Hohenzollern und wurde 1829 von Großherzog Ludwig I. zur badischen Hofmalerin ernannt. Ihr mehrjähriger Italienaufenthalt und ihre Nähe zu dem in Rom wirkenden Künstlerkreis der Nazarener, die laut Ausstellungsmacherin Barbara Stark derzeit in der Kunstszene eine Neubewertung erfahren, spiegeln sich in diesen Werken wieder. Auch in der religiösen Kunst leistete Ellenrieder Pionierarbeit: Ihre Altarbilder für die Kirche in Neuried-Ichenheim (Ortenaukreis) von 1822 sind die ersten einer deutschen Künstlerin in einer katholischen Kirche.

   Und die Liebe? Jahrelang umgarnte Baron Karl Christoph von Röder aus der Ortenau die Künstlerin vergeblich. Ellenrieder starb 1863 als Single. «Sie war wohlhabend und berühmt, feierte Fastnacht und leistete sich regelmäßig eine Kur. Sie brauchte keinen Mann», glaubt Engelsing. Alleine war sie trotzdem nicht: Ihre Schwester Josefine schmiss den gemeinsamen Haushalt und hielt ihr den Rücken frei. Mit Baron Röder verband Ellenrieder eine lebenslange Freundschaft. Das hielt die geschäftstüchtige Künstlerin allerdings nicht davon ab, ihm bei einer säumigen Rechnung eine Mahnung zu schicken.