Debatte

Warum Trumps schlechter Kunstgeschmack ihm in Wahrheit nützt

Der US-Präsident hat ein neues Gemälde im Oval Office aufhängen lassen: "The Republican Club" zeigt eine republikanische Phantasie-Präsidentenrunde mit einem idealisiert athletischen Donald Trump im Zentrum. Der Spott über so viel geschmacklose Selbstherrlichkeit ließ nicht auf sich warten - und hilft letztlich den Republikanern

Sich über den Geschmack von Donald Trump lustig zu machen, ist inzwischen eine Lieblingsbeschäftigung von Nicht-Republikanern geworden. Diese goldenen Vorhänge im Oval Office, diese Anzüge und Krawatten, diese Oligarchen-Deko, wenn er Staatsgäste empfängt, dieser Kid-Rock-Musikgeschmack. VERY BAD!

Die präsidiale Ästhetik, die die Künstlerin Eileen Quinlan als "Brococo", also als eine Mischung aus Rokoko-Prunk und männerbündlerischer bro-culture, bezeichnete, ist eine Lebenseinstellung. Man liebt oder verabscheut sie, zwischen den Extremen ist nicht viel Platz. Trump-Fans können sich neuerdings auf der Single-Plattform "Donald Daters - Make America Date again" näher kommen. Die Seite verkauft den Trump-Lebensstil mit geteilten Vorlieben als Garanten für ein harmonisches Dasein zu zweit. In der Kategorie "Kunstgeschmack" könnte zukünftig der Name Andy Thomas für republikanische Matches sorgen.

Seit dieser Woche ist bekannt, dass dessen Gemälde "The Republican Club" auf Wunsch des Präsidenten in dessen privaten Dining Room hängt. Das Bild zeigt eine republikanische Phantasie-Präsidentenrunde, in der ein idealisiert athletischer Donald Trump bei einer Diet Coke mit Abraham Lincoln, Richard Nixon und den beiden Bushs zusammensitzt. Die Komposition (auf der Website des Künstlers ab 155 Dollar erhältlich) verheißt Wichtigkeit: Schließlich stehen Männer, die um einen Tisch sitzen, in der Kunstgeschichte vom letzten Abendmahl bis zur Ausarbeitung der amerikanischen Verfassung für revolutionäre Gedanken und enorme Errungenschaften.

Andy Thomas kontrastiert diese Elemente der Historienmalerei mit der legeren Kleidung einiger Figuren und den bunten Cocktails auf dem Tisch. Der fiktive Regierungsgipfel ist in den Golfclub verlegt. Es ist leicht, sich über das Gemälde lustig zu machen, das sich in die Kategorie des republikanischen Heroismus einordnen lässt (auch Jon McNaughton und Michael Israel haben Trump in Feldherrenmanier gemalt). Im Netz fällt man über Trumps realitätsfernen Sportlertorso genauso her wie über die Anmaßung, sich selbst in seinem Büro als Mann der Geschichte an die Wand zu hängen.

Es liegt nahe, dass sich Trump in dieser Rolle gefällt, genauso wie er sich mit Kim Kardashian, Kanye West und Kid Rock am massigen Präsidentenschreibtisch gefällt. Und es ist verlockend, den selbstverliebten Prunk der Trump-Ära mit der von Kehinde Wiley gemalten Coolness zu vergleichen, die die Präsidentschaft von Barack Obama umwehte.

Doch es ist naiv zu glauben, dass die offensive Inszenierung von Thomas' Gemälde nur zur Befriedigung von Trumps überdimensionalem Ego dient. Das Bild, von dem auch eine identisch komponierte Version mit den demokratischen Präsidenten existiert, ist wenige Wochen vor den Midterm-Wahlen ein perfekter Baustein von Trumps Wahlkampfstrategie. Der Präsident will niemanden mit politischen Zielen oder Sachthemen von sich überzeugen, sondern Feindbilder erzeugen, die seine Anhänger noch fester an ihn binden. Während die Republikaner in den jüngsten Umfragen hinter den Demokraten zurückliegen, spricht Trump nur in Wahlkreisen, die ihm sowieso schon sicher sind, und bezeichnet dort seine politischen Gegner als Mob, der im Namen der politischen Korrektheit die Meinungsfreiheit niederwalzt.

Alles, was die Liberalen zur Entrüstung kitzelt, nützt Trumps Argumentation. Jede Provokation zielt auf den Aufschrei der Linken ab, die Trump auch dann nicht unterstützen würden, wenn er einen Mark Bradford im Büro hängen hätte - und deren Ablehnung wiederum die "Donald Daters" umso leidenschaftlicher auf den Plan ruft. Wenn sich der als überheblich empfundene Kulturbetrieb über den Geschmack des Präsidenten lustig macht, ist das letztendlich ein Mobilisierungsaufruf an die Trump’sche Fanbasis, die sich und ihren Lebensentwurf mit angegriffen sehen. (Wobei die Spötter von links im Übrigen gern darüber hinwegsehen, dass auch Trump-kritischen Künstlern bisher nichts kreativeres eingefallen ist, als den Präsidenten als aufblasbares Riesenbaby oder moppelige Nacktstatue mit Minipenis darzustellen.)

Bleibt noch die Frage, wer eigentlich die einzige Frau auf Andy Thomas' Bild ist, die sich schemenhaft im Hintergrund abzeichnet und im Bleistiftrock auf den Politikerstammtisch zuzuschreiten scheint? Ist sie eine zukünftige Präsidentin, die die traute Männerrunde unweigerlich irgendwann sprengen wird? Eine Frau, die die Machtmänner mit dem Vorwurf der sexuellen Belästigung ins Wanken bringt?

Aber selbst dieser mögliche Störfaktor in der trauten "Brokoko"-Idylle muss Trump nicht bekümmern, lässt sich doch auch dieses Detail in die republikanische Erfolgserzählung einfügen. Die bisher einzige aussichtsreiche Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton gehört für viele Amerikaner zu den meistgehassten Personen des Landes. Der Fall Brett Kavanaugh – und auch der Fall Trump – haben gezeigt, dass mächtige Männer die Belästigungs-Anschuldigungen von Frauen noch immer abschütteln können, ohne im Amt Schaden zu nehmen.

Und schließlich könnte die unscharfe Figur im Hintergrund genauso gut die Sekretärin sein, die fragt, ob einer der Herren noch etwas trinken möchte.