Christie's versteigert die Schiaperelli-Sammlung

Was die Dietrich schätzte

Coco Chanel soll über Elsa Schiaparelli gesagt haben: „Die italienische Künstlerin, die Kleider macht.“ Ein doppelbödiges Kompliment, denn was sich anhört wie ein Lob auf die Kreativität der Kollegin, kann genauso als Hinweis auf mangelnde Kenntnis in Sachen Couture gelesen werden. Und so war es wahrscheinlich auch gemeint. Immerhin ließ sich die Königin Coco Chanel überhaupt zu dieser Bemerkung hinreißen, was bedeutet, dass Schiaparellis Methode, Mode zu machen, sie beschäftigt haben muss.

Im Gegensatz zu Coco Chanel wollte ihre Rivalin „Schiap“, wie sie von ihren Freunden genannt wurde, Kundinnen nicht befreien, mit Stil beschenken oder ihnen Eleganz ermöglichen. Sie ging davon aus, dass Frauen all das schon waren: frei, elegant, stilvoll. Und dass es demnach vor allem ihr Job sei, für das nötige Aufsehen zu sorgen und dem Ganzen die extravagante Krone aufzusetzen.

Manche Teile aus ihrem Nachlass, die am Mittwoch bei Christie’s in Paris versteigert werden, stammen aus der Inneneinrichtung ihres Pariser Salons, andere aus ihren Kollektionen und der persönlichen Garderobe der gebürtigen Römerin. Ob Möbel, Kunstwerke, dekorative Objekte oder Kleidungsstücke – die Liebe zu figurativer Symbolik, Zirkusmotiven, stilisierten Gesichtern und Ornamenten zieht sich durch das gesamte Schiaparelli-Universum.

Ihre Nähe zu den Surrealisten war dabei für beides, für die Kunst und für die Mode, ziemlich produktiv. Als sie mit Anfang 30 aus einer gescheiterten Ehe von New York nach Paris kam, lernte sie Christian „Bébé“ Bérard, Jean Cocteau, Salvador Dalí, Man Ray und viele andere kennen. Mit ihnen zu arbeiten, schreibt sie in ihrer Autobiografie „A Shocking Life“, bedeutete „Heiterkeit“. „Man fühlte sich verstanden und unterstützt, weit über die langweilige Realität des Kleiderverkaufens hinaus.“ Man Ray porträtierte die unterhaltsame Designerin, eins seiner Bildnisse in der charakteristischen Solarisationstechnik von ungefähr 1930 gefiel ihr so gut, dass sie später ihre Autobiografie damit illustrierte. Dieses Porträt ist eins der jetzt zu versteigernden Kunstwerke und hat einen Schätzpreis von 10 000 bis 15 000 Euro. Wie ihr Freund Man Ray hatte Elsa Schiaparelli keine Bedenken, freie Kunst und kommerzielle Ideen zu kombinieren, und genauso unbefangen verwendete sie auch Kunstwerke in ihrer Mode.

So verarbeitete sie Zeichnungen von Jean Cocteau als Stickereien auf Jacken. Die Freundschaft zu Dalí und seiner Frau Gala sorgte für vielfältige Inspiration auf beiden Seiten, Schiaparellis Tränenkleid wird zum Beispiel darauf zurückgeführt oder ein Ensemble aus Hut und Kostüm, das die Trägerin selbst zur surrealen Skulptur machte: Der Hut hatte die Gestalt eines umgedrehten Damenpumps, und die Taschenschlitze der Jacke waren mit opulenten glitzernden Lippen umrandet.

Schiaparelli hatte ihre wohl wichtigste Schaffensphase zwischen den Weltkriegen. Mit ihrem barocken Stil bildete sie einen Gegenpol zur Ästhetik der Moderne, die sich gerade durchzusetzen begann. Das Opulente, Überbordende ihrer Designs war beispielsweise durch Tunesien inspiriert, wo sie in den 30er-Jahren ein Haus baute. Sie hielt sich oft dort auf, auch um die dort vorherrschenden Farben und Muster zu erforschen. In dieser Zeit erwarb sie zwei elegante Hammamet-Roben, die ihre Entwürfe unmittelbar beeinflussten und bei Christie’s zu erwerben sind. Schiaparelli, die auf eine außergewöhnliche Erscheinung Wert legte, trug die Kaftane selbst, genau wie mehrere asiatische und andere orientalische Gewänder, die ebenfalls versteigert werden.

Ihre Kollektionen hatten thematische Titel wie „Zirkus“ oder „Commedia dell’Arte“. Aus dieser Phase stammt ein Paravent mit Harlekin, Ballerina und Pferd von Marcel Vertès in entsprechend träumerischen Farben, der für die Präsentation der Frühjahrskollektion 1939 angefertigt wurde (auf 10 000 bis 15 000 Euro geschätzt). Für die vielleicht bekannteste Kollektion von Schiaparelli, „Astrologie“, konnte sich auch Hollywood-Ikone Marlene Dietrich begeistern. Eine violette Seidenbluse von 1939 mit eingestickten Sternenmotiven, die genauso von Dietrich getragen worden war, zählt zu den Highlights dieser Auktion (Taxe: 25 000 bis 30 000 Euro).

Als Schiaparelli 1928 Jean-Michel Frank kennenlernte, der ihr Innenarchitekt wurde, begann die Verbindung zu den Brüdern Giacometti. Eine Bodenlampe aus Bronze von 1936, mit einem ungewöhnlich ausgearbeiteten Kopf einer jungen Frau, ist eine der frühesten Arbeiten, die Alberto Giacometti für Frank anfertigte, das Objekt war fester Bestandteil ihrer Inneneinrichtung. Der Schätzpreis liegt bei 60 000 bis 80 000 Euro. Einzelne Lose der Auktion, die aus der Sammlung von Elsa Schiaparellis Enkelin, der Schauspielerin Marisa Schiaparelli Berenson, bestritten wird, beginnen bei 500 Euro. „Meine Großmutter war eine Inspiration, und nun ist es wichtig, dass jüngere Generationen erfahren können, wer sie war“, sagt Berenson.

Schiaparelli beherrschte die Modeszene über ein Vierteljahrhundert und erweiterte durch ihre enge Verbindung zur Kunst das  Spektrum dessen, was Mode sein kann. Ab 1940 sank ihr Stern allmählich, und sie emigrierte erneut in die USA, wo sie in New York 1949 eine Filiale eröffnete. 1954 präsentierte sie ihre letzte Schau, um sich dann aus dem Geschäft zurückzuziehen. Im selben Jahr erschien „A Shocking Life“, betitelt nach Shocking, ihrem ersten selbst kreierten Parfüm. In dem empfehlenswerten Buch wendet sie Coco Chanels vergiftetes Kompliment noch einmal um: „Kleider zu entwerfen ist für mich kein Beruf, sondern Kunst.“

"Collection personnelle d'Elsa Schiaperelli", Christie's Paris, 23. Januar