Interview

Was macht die Kunst, Glenn O’Brien?

Der amerikanische Journalist, Autor, Fernsehstar ist auch Freund wichtiger Künstler. Ein Gespräch über Selbstverständnis und Geschmack, seinen Mentor Andy Warhol – und seine stetig wachsende Sammlung

Herr O’Brien, Sie gehörten zu den engsten Vertrauten Andy Warhols, waren auch Chefredakteur seines Magazins „Interview“. Wollten Sie einfach Teil der Kunstwelt sein, oder gab es einen anderen Antrieb?
Eigentlich wollte ich immer Schriftsteller oder Journalist werden. Als Jugendlicher habe ich aber viel gemalt, und in der Highschool belegte ich jeden Kunstkurs, den ich mitnehmen konnte. Dann entschloss ich mich wiederum, Regisseur zu werden, also studierte ich Film in Columbia. Eher aus Versehen landete ich schließlich bei Andy und damit im Epizentrum der Kunstwelt. Ich traf dort unglaublich viele Leute! Robert Rauschenberg, Claes Oldenburg, Joseph Kosuth, wen immer Sie wollen.

Im Mittelpunkt der Kunstwelt zu stehen ist die eine Sache. Eine andere, Geschmack zu entwickeln und selbst Kunst zu kaufen. Haben Sie von Anfang an gesammelt?
Ich kaufte mein erstes Werk, noch bevor ich nach New York zog. Das war eine Arbeit von Les Levine, die ich in Washington erstand. Und als ich dann für Andy zu arbeiten begann, überschrieb er mir eine ganze Reihe seiner Bilder. Ich besitze sie jetzt nicht mehr, ich musste sie loswerden, als mein erster Sohn geboren wurde: Ich hatte zwar Kunst, aber kein Geld. Insgesamt habe ich hauptsächlich Bilder von meinen Freunden gekauft, also von Leuten, an die ich ohnehin glaubte. Ihre Arbeiten habe ich nie nur als Investment betrachtet.

Warum sammelt man Kunst im größeren Stil, wenn man nicht das Investment vor Augen hat?
Die Werke, die ich mir aussuche, inspirieren mich. Wenn nicht, kaufe ich sie auch nicht.

Und wie war Ihr Verhältnis zu Andy Warhol?
Warhol war ein Mentor. Ich bewunderte ihn, und wie das so ist mit Menschen, zu denen man aufschaut und mit denen man viel Zeit verbringen darf: Ich lernte viel von ihm, nahm viel von ihm an. Man darf nicht vergessen, dass er eine Generation älter war als ich, er Jahrgang 1928, ich 1947. Er war so etwas wie mein schwuler Ziehvater.

Basquiat war jünger als Sie, Sie haben ihn von Anfang an gesammelt.
Er mochte, was ich so machte, „Interview“, meine Fernsehshow „TV Party“, all die Sachen. Wir verstanden uns sehr gut. Ich vermute, dass es auch daran lag, dass es in den Medien, die ich verantwortete, keine Trennung zwischen weißer und schwarzer Kultur gab. Was damals alles andere als selbstverständlich war, aber für uns eben Normalität. Pop und Funk bedeuteten für mich keinen Widerspruch.

Ihre Wohnung ist wie ein kleines, feines Museum. Hier hängen unzählige Zeichnungen von Basquiat, Arbeiten von Christopher Wool, Damien Hirst, Kosuth, Prince … Wie konnten Sie sich die denn leisten, die bekamen Sie doch nicht alle geschenkt?
Ich habe gerne und oft für die Kataloge meiner Freunde geschrieben. Wenn es dann um die Bezahlung ging, schlug ich immer vor, die Texte oder Interviews mit Bildern zu entgelten. Ich vermutete, dass es sich dabei um eine andere Währung handelte, um eine wertvollere. Und im Lauf der Zeit hat sich das auch bewahrheitet. Einige der Künstler, die ich auf diese Weise sammelte, wurden ja weltberühmt.

Was ist eigentlich Ihr Selbstverständnis als Autor, wenn Sie mit diesen Bildern, im Nachhinein gesehen, exorbitante Zeilenhonorare verdient haben?
Da fällt mir die Antwort leicht: Ich habe das Schreiben immer als Lernen begriffen. Ich muss recherchieren und mit den Menschen sprechen, um die es in meinen Artikeln geht. So blieb ich immer am Ball. Es geht im Leben darum, immer wieder Dinge zum ersten Mal zu erleben. Das passiert aber nur, wenn man es zulässt. Und das kann man eins zu eins auf die Kunst übertragen. 

Das komplette Interview ist in der Monopol 6/2012 erschienen