Es geht um ein Stück deutscher Kunstgeschichte: Der "Ganslberg" bei Landshut war das Refugium des Künstlers Fritz Koenig. Auf seinem Anwesen schuf der deutsche Bildhauer unter anderem seine Bronzeplastik "Kugelkaryatide N.Y.", dort lebte er heimatverbunden bis zu seinem Tod im Jahr 2017. Seither steht der "Ganslberg" leer. Weggefährten Koenigs und Kenner seines Werkes wollen das Künstlerhaus vor dem Verfall bewahren und zum Museum machen. Bei der Finanzierung des Projektes sehen sie den Freistaat in der Pflicht.
Einen ersten Erfolg hatten die Koenig-Freunde 2021 verbuchen können: Der "Ganslberg" wurde auf ihr Betreiben hin in die Denkmalliste eingetragen und unter Ensembleschutz gestellt. Die Fritz-und-Maria-Koenig-Stiftung - als Eigentümerin des Anwesens - gab eine Machbarkeitsstudie zur künftigen Nutzung des "Ganslberg" in Auftrag. Das Ergebnis liege vor, sagt Kunstkurator Alexander Rudigier der Deutschen Presse-Agentur. Er und seine Mitstreiter appellieren an Ministerpräsident Markus Söder und den neuen Kunstminister Markus Blume (beide CSU), das Projekt voranzutreiben.
Schließlich habe Blumes Vorgänger als Kunstminister, Bernd Sibler (CSU), vor zwei Jahren zugesagt, mit dem Finanzminister sprechen zu wollen, sobald ein tragfähiges Konzept erarbeitet sei, mahnte Rudigier an. Zudem habe die Stiftung dem Freistaat das Anwesen zum Kauf angeboten, da sie selbst nicht die Mittel habe, das Projekt umzusetzen. Eine Antwort auf das Kaufangebot stehe noch aus.
"Es gilt einen Schatz zu heben"
Der Historiker Michael Wolfssohn empörte sich am Donnerstag in der "Jüdischen Allgemeinen": "Wie würdigt und erhält die Kunstrepublik Deutschland Werk und Wirkung ihres Weltkünstlers? Mangelhaft bis ungenügend." Zwar gebe es in Landshut das Koenigmuseum, jedoch: Den "Ganslberg" hätten Bund, Stadt und Freistaat "erst vergammeln und dann abreißen lassen", schreibt er. Quasi in letzter Minute sei es Freunden und Verehrern Koenigs gelungen, "diesen Vandalismus zu verhindern". Nun gelte es, dem Denkmal Leben einzuflößen.
In der Machbarkeitsstudie werden drei Varianten aufgezeigt, wie der "Ganslberg" genutzt werden könnte. Wobei sich die Beteiligten Rudigier zufolge bereits einstimmig für das Konzept des Filmemachers Percy Adlon ausgesprochen hätten, das in der Studie detailliert erläutert wird. Demnach soll der "Ganslberg" der Öffentlichkeit zugängig gemacht und multimedial belebt werden. Die Kugelhalle, in der Koenig seine "Sphere" für New York schuf, soll zum Museum und das Wohnhaus wieder originalgetreu eingerichtet werden. Das Inventar sei ausgelagert und sicher verwahrt.
Wolfssohn schreibt, Percys Konzept sei "lebensprall, kunstbasiert und sogar kommerziell-touristisch für Landshut, Niederbayern und damit für ganz Bayern geradezu verführerisch". Rudigier und Wolfssohn verweisen auf Eike Schmidt, Direktor der Uffizien in Florenz, der in seinem Vorwort für die Machbarkeitsstudie fordert: "Es gilt einen Schatz zu heben." Er nennt den "Ganslberg" ein "Wunderwerk".
Erfolgreiche Ausstellung 2018 in den Uffizien
Die Uffizien hatten Koenig 2018 eine eigene Ausstellung gewidmet, die laut Schmidt mehr als 1,2 Millionen Besucher anlockte und damit die sechsterfolgreichste Schau des Jahres 2018 weltweit gewesen sei. In Koenigs Skulpturen vereinten sich perfekte Form und inhaltliche Klarheit. Sein Werk werde noch viele Generationen zu Bewunderung und zum Nachdenken bringen.
Zudem bezeichnet Schmidt Koenig als den bedeutendsten Interpreten des Holocaust in der deutschen Kunst. Sein Denkmal für das ehemalige Konzentrationslager Mauthausen sowie sein Entwurf für das Holocaust-Denkmal in Berlin suchten "international in Form und Ausdruck ihresgleichen". Auch Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, zählt zu den Unterstützern des "Ganslberg"-Projektes.
Von Seiten des Kunstministeriums gab es angesichts des gerade erst vollzogenen Ministerwechsels zunächst noch keine Stellungnahme.
Fritz Koenig (1924-2017) wurde in Würzburg geboren und wuchs in Landshut auf. Berühmt ist unter anderem seine monumentale Plastik "Kugelkaryatide N.Y." (auch "Sphere" genannt), die nach dem Terroranschlag vom 11. September 2001 in New York beschädigt aus den Trümmern des World Trade Centers geborgen wurde. Seit 2017 steht sie als Mahnmal nahe der 9/11-Gedenkstätte.