Betrugsprozess

Weniger Anklagepunkte gegen Achenbach

Im Betrugsprozess gegen den Kunstberater Helge Achenbach beantragt die Staatsanwaltschaft überraschend die Einstellung mehrerer Anklagepunkte. Dabei geht es um vier von 14 Kunstverkäufen an den 2012 gestorbenen Aldi-Erben Berthold Albrecht. Diese Geschäfte würden bei der zu erwartenden Gesamtstrafe nicht ins Gewicht fallen, sagte Staatsanwältin Valeria Sonntag am Donnerstag in Essen. Außerdem könnten diese Vorgänge nicht so rasch aufgeklärt werden. Das Verfahren gegen Achenbach wird dennoch länger dauern als geplant. Der Vorsitzende Richter Johannes Hidding setzte zwei weitere Verhandlungstermine am 11. und 16. März an.

Bei den von der Staatsanwaltschaft fallengelassenen Anklagepunkten handelt es sich um den Verkauf je eines Bildes von Oskar Kokoschka und Ernst Ludwig Kirchner («Mutter und Sohn») sowie von zwei Arbeiten von Gerhard Richter («Maria» und «Tisch»). Der Gesamtschaden für Albrecht aus diesen Verkäufen belief sich laut Anklage auf gut drei Millionen Euro.

Achenbach soll Albrecht bei insgesamt 22 Kunst- und Oldtimerverkäufen um eine Gesamtsumme von rund 23 Millionen Euro betrogen haben. Davon entfallen rund 8,5 Millionen Euro auf Kunstwerke.

Achenbach hatte in einem Teilgeständnis zu Beginn die Verkäufe der beiden Bilder von Kokoschka und Kirchner als «Sündenfall» an seinem Duzfreund Albrecht bezeichnet. Denn er habe dabei erstmals die Rechnungspreise nach oben manipuliert. Bei den beiden Richter-Bildern habe er Albrecht aber vorab mitgeteilt, dass er Aufschläge auf die Einkaufspreise vornehmen werde. Achenbach hatte in dem Zusammenhang auch von einem «Rechenfehler der Anklage» gesprochen.

Auch in einem weiteren Anklagepunkt sehen die Verteidiger Achenbach entlastet. Der Bildhauer Tony Cragg sagte als Zeuge aus, dass der von Achenbach für eine seiner Skulpturen in Rechnung gestellte Preis von knapp 400 000 Euro marktüblich sei. Laut Anklage soll Achenbach den Einkaufspreis für die Edelstahlskulptur nahezu verdoppelt und sie für 385 000 Euro an Albrecht weitergereicht haben. Cragg hatte die Skulptur für rund 220 000 Euro an Achenbachs Kunstberatung verkauft.

Als weiterer Zeuge sagte der Künstler und Fotograf Benjamin Katz (75) aus, der seit Jahren mit dem Künstler Georg Baselitz (77) befreundet ist. Laut Anklage sollen Achenbach und ein mitangeklagter ehemaliger Geschäftspartner über die inzwischen aufgelöste Kunstberatung Berenberg Art Advice ein Baselitz-Bild bei Katz für 200 000 Euro erworben haben. Das Werk sollte dann für mehr als 800 000 Euro an ein Ehepaar weiterverkauft werden. Das Geschäft wurde später rückgängig gemacht.

Für das frühe Baselitz-Bild hätten sich zuvor auch andere Kunstsammler und Museen interessiert, sagte Katz. Dabei seien auch Angebote zwischen 700 000 und 900 000 Euro genannt worden. Zuletzt habe das Werk auf dem Markt wegen der «Überangebote» und auch einiger «Fantasiepreise» aber als «verbrannt» gegolten.

Auch Philomene Schmidt-Garrel, die zusammen mit Monika Sprüth eine erfolgreiche Galerie in Berlin und London betreibt, sagte als Zeugin aus. Sie hatte vier Arbeiten des Fotokünstlers Andreas Gursky an Achenbach verkauft, die dieser an den Pharma-Unternehmer Christian Boehringer weiterverkaufte.

Da die Fotos von zuvor veränderten Texten aus Robert Musils «Mann ohne Eigenschaften» in New York gelagert waren, der Transport nach Europa aber sehr teuer geworden wäre, habe Gursky die Fotos in Deutschland neu produzieren lassen. Das sei im Kunstbetrieb normal. Warum die Bilder aber erst nach England und dann zurück nach Deutschland geliefert wurden, blieb unklar.

«Kuddelmuddel» habe es dann noch in Sydney gegeben, wo eine Galerie eine Arbeit aus der Sechser-Auflage der «dekonstruierten» Musil-Texte gekauft habe, sagte Schmidt-Garre. Die Galerie habe auf ihrer Website die Nummer 2 von 6 angegeben. Das könne aber gar nicht sein, weil doch Boehringer die Nummer 2 gekauft habe. Und zweimal darf eine Auflage nicht produziert werden. «Wir sind aus allen Wolken gefallen», sagte Schmidt-Garre. Schließlich habe die Galerie auf der anderen Seite der Erdkugel den Webeintrag korrigiert. Diese habe nämlich in Wirklichkeit die Nummer 6 von 6 erhalten.

Interessant ist wohl auch der Verkauf von zwei Bildern von Roy Lichtenstein an Albrecht: Dass Achenbach einen Aufschlag von rund einer Million Euro vornahm, muss das Gericht noch bewerten.

Aufhorchen ließ Achenbachs Erklärung, er habe zur Unterstützung einer Lichtenstein-Ausstellung im Kölner Museum Ludwig 50 000 Euro gespendet, weitere 150 000 Euro habe Albrecht gezahlt.

Erst im Gegenzug sei ihm «ein Gesprächskanal» zum Lichtenstein-Nachlass in New York eröffnet worden, aus dem er die Bilder dann bezogen habe. Der damalige Leiter des Museums, Kasper König, trat daraufhin in einer Erklärung mit allem Nachdruck dem Eindruck entgegen, er sei in Geschäfte Achenbachs verwickelt.

In Sitzungspausen gibt Achenbach Details aus seiner nun schon rund acht Monate dauernden Untersuchungshaft preis. «Man lernt dort Demut», sagt der 62-Jährige, der mit Millionären und Milliardären auf Du und Du war. Auch der Knast schaffe eine gewisse Solidarität. So treffe er den ebenfalls in Essen inhaftierten einstigen Top-Manager Thomas Middelhoff manchmal «beim Sport», verrät Achenbach.